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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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damit hatten wir fast gerechnet, und in der Filmindustrie interessierte sich sowieso niemand dafür, was die Kritiker sagten, solange die Zuschauer kamen. Solange die Leute Eintrittskarten kauften. Doch in der Mitte der zweiten Woche wurden landesweit weniger als vierzig Prozent der verfügbaren Karten gekauft. Im Ausland erging es uns kaum besser, obwohl wir gedacht hatten, der Film würde dort voll einschlagen. Und die maderchod Auslandsinder gingen auch nicht rein. Ich telefonierte Tag und Nacht mit Dheeraj Kapoor, wir ließen in den Großstädten neue Plakate aushängen, wir erhöhten die Zahl der Fernsehwerbespots, fügten neue Textzeilen hinzu, in denen das Publikum ermuntert wurde, sich den »Superhit International Dhamaka« anzuschauen. Wir verlockten sie, in die Magie des Films einzutauchen. Wir luden sie ein, mit uns die Welt kennenzulernen.
    Aber diese Gaandus kamen nicht. Wir schnitten sieben Szenen heraus, kürzten vierzehn weitere und drehten einen neuen Song mit nicht ein oder zwei, sondern sogar drei Models in wenig mehr als fluoreszierenden Bikinis und etwas Gaze. Wir brachten diesen Songclip in einer Rekordzeit von dreizehn Tagen in die Kinos von Bombay und Delhi, doch das Publikum, diese Pest, blieb weiterhin aus. Am Ende der dritten Woche schließlich bezeichneten die Fachzeitschriften International Dhamaka furchtlos und einhellig als Flop. Es war unbestreitbar. Der Film war ein Flop.
    Dheeraj Kapoor hatte bis dahin immer wieder Geduld, Zuversicht und Durchhaltevermögen angemahnt. Er hatte mir erzählt, daß G. P. Sippy Sholay einen Monat lang in den Kinos hatte laufen lassen, obwohl er dadurch Geld verlor und sich zum Gespött der Filmindustrie machte. Irgendwann habe die Mundpropaganda über Gabbar Singh jedoch ihre Wirkung getan, und die Leute seien scharenweise ins Kino geströmt, so daß Sholay letztlich fünf Jahre lang ununterbrochen und mit enormen Gewinnen gelaufen sei. Doch jetzt räumte selbst Dheeraj Kapoor ein, daß unser Film ein Flop war. Es war genausosehr sein Film wie meiner, doch in der vierten Woche gab er ihn auf. »Das war's, Bhai«, sagte er spätabends am Telefon zu mir. »Sie haben schon zuviel ausgegeben. Wir müssen es akzeptieren. Wir müssen uns den Gegebenheiten fügen.«
    Also nahm ich den Film aus den Kinos. Ich mußte der Wahrheit ins Gesicht sehen: International Dhamaka war durchgefallen. Ich konnte dem Publikum keine Pistole an den Kopf setzen und es zwingen, ins Kino zu gehen, also war der Film ein Flop. Aber er war gut. Ich hatte ihn so oft gesehen und mich so intensiv mit Details wie Bildeinstellung, Sound und Rhythmus beschäftigt, daß ich irgendwann kaum mehr sah, was sich auf der Leinwand abspielte. Deshalb schaute ich ihn. mir jetzt noch einmal an. Es war ein guter Film, daran bestand kein Zweifel. Es war alles dabei: Action, Liebe, Patriotismus und unvergeßliche Songs. Der Film war perfekt. Warum also war er durchgefallen? Warum kamen die Leute in Scharen, um sich Tera Mera Pyaar anzuschauen, einen blödsinnigen, schlecht gemachten Junge-verliert-Mädchen-und-weint-sich-die-Augen-aus-Streifen, der mit einem Budget von drei Crores und unbekannten Schauspielern gedreht worden war? »Wir wissen es nicht«, sagte Dheeraj Kapoor. »Man kann es nicht wissen, Bhai. Das Publikum ist eine Pest. Jeder Chutiya in der Filmbranche wird Ihnen jetzt sechsunddreißig Gründe aufzählen, warum unser Film kein Erfolg geworden ist, aber bei den Previews waren alle begeistert. All die Analysen nach dem Kinostart eines Films sind wertlos. Man kann die Zukunft nicht vorhersehen. Und man kann auch die Vergangenheit nicht wirklich durchschauen. Wir wissen es einfach nicht.«
    Doch ich wollte es wissen, ich mußte es wissen. Ich fragte Guru-ji. Er war gerade zu einer Vortragsreihe in Südafrika, doch er nahm sich die Zeit, mit mir zu telefonieren. Er wußte, daß ich Probleme hatte, wußte, wie traurig und hilflos ich war. Er erkannte, daß ich noch nie so ohnmächtig gewesen war, und nahm sich meiner an. Er war mehr als ein Vater, er war mütterlich. Ich wußte, daß er nicht in die Zukunft des Films hatte sehen können, doch ich bat ihn, in dessen Vergangenheit zu schauen. »Der Film hatte alles, Guru-ji«, sagte ich. »Sämtliche Elemente, die das Publikum fordert. Warum ist er nicht angekommen?«
    »Du willst den Grund wissen?«
    »Ja, Guru-ji, ich will den Grund wissen.«
    »Das ist genau das Problem: daß du den Grund dafür wissen willst.«
    »Aber Guru-ji, Sie sind

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