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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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ihn bei seiner Zeitungslektüre nicht stören durfte. Wenn die Schlange vorrückte, schob er die Dose weiter, ohne von seinen Neuigkeiten aufzuschauen.
    Als er aus der Toilette kam, schritt er entspannt und lässig die Schlange entlang und begrüßte jeden der Wartenden ausführlich, ohne jedoch auf einen Plausch stehenzubleiben. Zielstrebig ging er nach Hause, wo er genau zur rechten Zeit ankam. Shalini war gerade dabei, das große stählerne Vorhängeschloß zu öffnen, als er um die Ecke bog. Er machte die Tür hinter sich zu und schob den Riegel vor. Dann zog er seine Kurta aus und hängte sie an ihren angestammten Platz am linken äußeren Haken.
    »Es ist genug Wasser zum Waschen da«, ließ sich Shalini aus der Küche vernehmen. Sie brachte ihm ein grünes Handtuch, doch als sie in die Küche zurück wollte, berührte er sie in der Halsbeuge. Sie erschauerte. »Nicht«, kicherte sie, aber als er sich auf seine Chatai legte, schmiegte sie sich eng an ihn. Unter dem Klirren ihrer Armreife führte er ihre Hand zwischen seine Beine. Sie drückte den Kopf an seine Brust. Nach all den Jahren sah sie ihn noch immer nicht an, und er wußte, daß sie ihm auch nicht gestatten würde, ihr Gesicht zu sich herzudrehen - noch nicht. Er begann leise zu stöhnen, als sich das gläserne Klimpern beschleunigte und zu einem sanften Geläut wurde. Shalini schob mit einer schnellen Bewegung ihren Sari hoch, sie bewegten sich aneinander, tasteten, und schließlich fand Shalini ihn. Er umfaßte ihre Hüften und schloß die Augen. Dann spürte er ihre Lippen schmal und warm und lebendig an seinem Kinn.

    Mit einer Handvoll Prasad aus dem Devi 160 -Padmavati-Tempel schickte Shalini ihn auf den Weg. Katekar verzehrte die zarten Kokosstückchen mit besonderem Genuß. Religion war Frauensache und auch der Fluch der Nation, aber das milchige Kokosfleisch war gleichwohl eine sinnliche Gabe, und seine Schultern kribbelten davon.
    Die Gasse war schmal, an manchen Stellen so schmal, daß er die Hauswände links und rechts hätte berühren können. Die meisten Türen standen offen, damit Luft ins Haus kam. Eine Großmutter saß mit ihrem nackten, dunkel glänzend eingeölten Enkel im Schoß auf der Stufe und lachte sein zahnloses Lächeln an. Katekar bog um eine Ecke, passierte einen winzigen Laden, in dem es Zigaretten, Shampoopäckchen, Betelnüsse und Batterien gab, und trat dann zur Seite, um eine Reihe junger Frauen vorbeizulassen, die vorsichtig über den Rinnstein hinwegstiegen, gepudert und im Salvar 550 -kamiz 310 korrekt für Läden und Büros zurechtgemacht. Roter und gelber Stoff schwirrte an ihm vorüber. Er stand mit dem Fuß auf ein Rohr gestützt, das unten an der Hauswand entlanglief. Für diese Leitung hatte der Mohalla-Ausschuß 425 letztes Jahr Geld gesammelt, aber sie lieferte nur dann Wasser, wenn der Druck in der städtischen Hauptleitung an der Hauptstraße stark genug war. Jetzt wurde für eine Pumpe gesammelt.
    In der Maganchand Road hatten die Thelavaalas bereits hohe Obstpyramiden aufgebaut, und die Fischverkäufer legten Bangda 055 , Bombil 095 und Paaplet 462 auf ihren Platten aus. Es war Rush-hour, und die Autos fuhren Stoßstange an Stoßstange. An der Bushaltestelle postierte sich Katekar neben einem Grüppchen Wartender. Er schlug seine Zeitung auf und las den Leitartikel über das Scheitern der Zivilregierung in Pakistan. Als der Doppeldecker kam, ließ er andere vor. Nach einer Weile läutete der Schaffner die Glocke, und niemand durfte mehr einsteigen. Der Bus fuhr ruckend an, Katekar hob die Hand, und der Schaffner machte ihm mit einem kurzen, respektvollen Nicken auf dem Trittbrett Platz. Katekar fuhr seit acht Jahren mit diesem Bus, seit er das Kholi gekauft hatte, und alle Schaffner der Linie wußten, daß er Polizist war. Dieser hieß Pawle. Er schob sich an Katekar vorbei in den hinteren Teil des Busses, knipste die Fahrkarten und kam dann wieder nach vorn. Katekar horchte auf das Klimpern der Münzen. Die Bewohner der Stadt klagten gern über die Schrecken des morgendlichen Verkehrs, der von Jahr zu Jahr schlimmer wurde, aber Katekar liebte das ungeheure Gewühl von Millionen Menschen, die dahinrasenden Regionalzüge, an deren Türen ganze Menschentrauben hingen, das hallende Fußgetrappel und das Stimmengewirr in der riesigen Churchgate Station. Er fühlte sich dann lebendig. Das ungeduldige Hupen der Autos sandte eine Gänsehaut seine Arme hinauf. Er hielt sich an der Metallstange fest und lehnte

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