Der Pate von Bombay
sich weit hinaus. Ein paar Collegemädchen rannten und hüpften lachend und rufend zwischen den Autos durch. Katekar klopfte mit den Fingern den Takt an die Buswand und sang leise: »Lat pat lat pat tujha chalana mothia nakhriyacha ... 369 «
Vor Parulkars Schreibtisch saß eine Frau, neben ihr Makand, der CBI-Mann, der in Gaitondes Bunker die Führung übernommen hatte, sein Kopf glatt wie grauer Stahl. Sartaj nahm Haltung an und wartete schweigend, bis Parulkar ihn aufforderte, Platz zu nehmen.
»Sie brauchen deine Hilfe, Sartaj«, sagte Parulkar, »im Fall Gaitonde.«
»Sir.« Sartaj saß kerzengerade auf seinem Stuhl.
»Sie werden dir selbst sagen, worum es geht.«
Sartaj nickte. »Ja, Sir.« Er neigte sich mit einer Miene, die, wie er hoffte, genau das richtige Maß an wachem Eifer ausdrückte, zu Makand hin. Doch es war die Frau, die das Wort ergriff.
»Wir wollten mit Ihnen über Gaitondes Tod reden.« Es klang streng und nüchtern. Sie hatte genau registriert, daß er sich automatisch Makand zugewandt hatte.
»Ja«, sagte Sartaj. »Ja, äh, Madam.«
»Das ist DCP 153 Mathur«, sagte Parulkar. »DCP Anjali Mathur. Sie leitet die Ermittlungen.« Sartaj merkte, daß Parulkar sich über sie und ihn amüsierte, über sie alle und die Ironie der neuen Welt, in der sie lebten.
Anjali Mathur nickte und sagte, ohne Parulkar anzusehen: »Sie haben gestern einen Anruf erhalten und erfahren, wo sich Gaitonde aufhält?«
»Ja, Madam.«
»Warum Sie, Inspektor?«
»Madam?«
»Was glauben Sie, warum Sie den Anruf erhalten haben?«
»Ich weiß es nicht, Madam.«
»Kannten Sie Gaitonde von früher?«
»Nein, Madam.«
»Sie haben ihn nie gesehen?«
»Nein, Madam.«
»Haben Sie die Stimme am Telefon erkannt?«
»Nein, Madam.«
»Sie haben lange mit Gaitonde geredet, bevor sie in das Haus eingedrungen sind.«
»Wir haben auf den Bulldozer gewartet, Madam.«
»Worüber haben Sie geredet?«
»Er hat geredet, Madam. Er hat mir eine lange Geschichte erzählt, von den Anfängen seiner Laufbahn.«
»Ja, seine Laufbahn. Ich habe Ihren Bericht gelesen. Hat er gesagt, warum er in Mumbai ist?«
»Nein, Madam.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, Madam.«
»Hat er irgend etwas darüber gesagt, was er vorhat, etwas über das Haus? Überhaupt irgend etwas?«
»Nein, Madam. Ich bin mir ganz sicher.«
DCP Anjali Mathur wollte Details, aber Sartaj konnte ihr keine liefern. Er sah sie ausdruckslos an und wartete.
»Und die Tote?« fragte sie schließlich. »Kennen Sie sie?«
»Nein, Madam. Ich weiß nicht, wer sie ist, das steht auch in meinem Bericht. Unbekannte weibliche Person.«
»Haben Sie irgendeine Idee?«
Katekar hatte sofort an Filmi-Randis gedacht, ohne seine Theorie jedoch auf etwas anderes stützen zu können als die Kleidung der Toten. Doch solche Kleider hatte Sartaj auch in sündhaft teuren Clubs in der City gesehen. Es gab keinen Grund zu der Annahme, daß die Frau eine Prostituierte gewesen war. »Nein, Madam.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, Madam.« Sie war skeptisch, versuchte unentwegt, ihn einzuschätzen, und er ließ die Prüfung gleichmütig über sich ergehen. Sie schien zu einem Entschluß zu kommen.
»Sie müssen etwas für uns tun, Inspektor. Aber zunächst sollten Sie wissen, daß wir nicht vom CBI sind. Wir sind vom RAW 530 . Diese Information ist allerdings nur für Sie bestimmt. Niemand sonst braucht das zu wissen. Klar?«
Es war alles andere als klar, weshalb der RAW der berühmte Research and Analysis Wing mit seinem Ruf des Geheimnisumwitterten und Exotischen, hier in Parulkars Büro saß. Ganesh Gaitonde war ein großer Verbrecher gewesen, also hätte es nahegelegen, daß das CBI die Ermittlungen führte. Der RAW aber war für ausländische Staatsfeinde zuständig. Weshalb waren die beiden hier, weshalb interessierten sie sich für Kailashpada? Diese Anjali Mathur wirkte auch gar nicht wie eine internationale Geheimagentin. Doch vielleicht war das gerade der Zweck der Übung. Sie hatte ein rundes Gesicht und glatte, helle Haut. Sie trug kein Sindur, aber die Frauen taten ihren Verheiratetenstatus heute auch nicht mehr kund - Sartajs Ex-Frau hatte es nie getan. Sartaj hatte das unbehagliche Gefühl, durch einen reißenden Fluß zu waten, von gänzlich unbekannten Strömungen herumgewirbelt zu werden, und so wandte er Parulkars Prinzip höflich-formeller Unterwürfigkeit an.
»Ja, Madam«, sagte er. »Vollkommen klar.«
»Gut. Finden Sie's heraus. Finden Sie heraus, wer die Frau
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