Der Pate von Bombay
geschlossenen Läden, parkte schräg zur Straße ein Auto. Der Fahrer stand daran angelehnt, ich sah die Glut seines Zigarillos und wußte, daß er mich direkt ansah. Der Zigarillo bewegte sich, der Fahrer machte eine Handbewegung vor der Heckscheibe, klopfte dagegen, woraufhin sich im Wageninnern eine Gestalt regte und eine Frau den Kopf durchs linke Fenster ins Licht streckte. Ich ahnte ihr schwarzglänzendes Haar, das kräftige Gelb ihres Saris, und das reichte mir schon, ich kannte diese dick geschminkten Randis, die ihre Chut auf der Rückbank eines Autos am Bahnhof verkauften. Ich lachte und bezahlte meine Fahrkarte.
Aber der Zuhälter wich nicht von meiner Seite. »Okay, Yaar«, flüsterte er kumpelhaft auf dem Weg zum Bahnsteig. »Ich habe Sie falsch eingeschätzt, Saab. Sie wollen etwas Besseres. Sie sind ein Mann mit Geschmack, mein Fehler. Sie sehen einfach ein bißchen ... Aber ich habe das richtige Mädchen für Sie, Yaar.« Er küßte seine Fingerspitzen. »Ihr Mann hat früher in einer Bank gearbeitet, war ein großer Saab, und dann hatte er einen Unfall, der arme Kerl. Wurde zum Vollkrüppel. Kann nicht arbeiten. Jetzt muß sie für beide sorgen, was bleibt ihr anderes übrig? Sehr exklusiv. Nur für Gentlemen, in ihrer eigenen Wohnung. Ich kann Sie direkt hinbringen. Erstklassige Ware, Yaar. War auf der Klosterschule.«
Ich blieb stehen. »Ist sie hellhäutig?«
»Wie Hema Malini 268 , Bidu. Wie frische Sahne. Wenn Sie ihre Haut berühren, wird es Ihnen Schauer über den Rücken jagen.«
»Wieviel?«
»Fünftausend.«
»Ich bin kein Tourist. Tausend.«
»Zweitausend. Sagen Sie nichts. Wenn Sie das Mädchen sehen und finden, daß sie das Geld nicht wert ist, geben Sie mir, was Sie wollen, und ich verschwinde ohne ein weiteres Wort. Glauben Sie mir, wenn Sie sie vor der Bank ihres Mannes sehen würden, würden Sie es nicht für möglich halten, daß sie so was tun muß, die Arme. Wie eine scharfe Memsaab 415 sieht sie aus.«
»Wie heißen Sie?«
»Raja.«
Ich steckte die Fahrkarte ein. »Na gut, Raja«, sagte ich. »Aber verarschen Sie mich nicht.«
Raja kicherte. »Nein, nein, Saab. Bitte, kommen Sie mit.«
Hellhäutig war sie, keine Frage. Sie öffnete die Tür, und ich sah selbst im trüben Licht des Aufzugs, daß sie hellhäutig war, nicht ganz so wie Hema Malini, aber doch wie Weizen am Nachmittag. Sie saß auf einem braunen Sofa, während Raja seine zweitausend nachzählte und sich dann verabschiedete. Sie trug einen mattgrünen Sari mit goldenen Borten und runde goldene Ohrringe und saß sittsam und reserviert da, die Schultern hochgezogen, die Hände im Schoß.
»Wie heißt du?« fragte ich.
»Seema.« Sie wich meinem Blick aus.
»Seema.« Ich trat an der Tür von einem Fuß auf den anderen und wußte nicht recht, was ich als nächstes tun sollte. Ich hatte durchaus schon meine Erfahrungen gesammelt, aber in einer anderen Art von Etablissement, und der glänzende Glastisch mit der Vase voller Blumen, das nur aus wild zusammengepinselten Farben bestehende Gemälde an der Wand, der kurze braune Teppich - das alles blockierte mich regelrecht. Sie erhob sich, und ich folgte ihr mannhaft, nahm alles in mich auf, ihre gelbe Bluse, die über der Mulde ihrer Wirbelsäule spannte, das weiße Telefon in einer Wandnische im Flur. Im Schlafzimmer knipste sie eine Lampe an, und als sie die Decke zurückschlug, verkrampfte ich: Diese Geste war viel zu professionell.
»Augenblick«, sagte ich und ging zurück in den Flur. Das Bad war sauber, und ich pinkelte mit einiger Befriedigung ausgiebig in die Toilette westlicher Art. Aber dann sah ich, daß neben dem Wasserhahn keine Seife lag, daß kein Eimer dastand. Ich machte meinen Reißverschluß zu. Die Schränke in der Küche waren leer, kein Teller, kein Topf, nicht mal Gas oder einen Herd gab es, nur zwei Gläser, die zum Trocknen umgedreht neben dem Spülbecken standen. Jetzt war ich mir sicher, daß man mich übers Ohr gehauen hatte. In dieser Wohnung lebte niemand, kein Bank-saab, keine brave Ehefrau, es gab keinen Krüppel und keine Memsaab, nur eine aufgemotzte, gepuderte Nutte. Sie lag jetzt auf dem Bett, nackt bis auf die Ohrringe, die Arme über ihren kleinen Brüsten verschränkt, die Füße gekreuzt, und ihr Bauch hob und senkte sich unter dem schmalen Schatten ihrer Hüftknochen. Ich stellte mich vor sie, atmete durch den Mund.
»Sprich Englisch«, sagte ich.
»Wie?« In ihren Augen lag echtes Erstaunen, was mich nur noch
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