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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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hoch. »Lieferservice«, sagte ich. »Penthouse.«
    »Die brauchen nichts«, sagte der Inder auf Hindi. »Sie sind nicht zu Hause.«
    Ich hatte den körperlichen Impuls, mich umzudrehen und loszurennen. In den Aufzug, die Treppe runter, nur weg. Doch ich dachte nach. Mach sie nicht mißtrauisch.
    »Geld«, sagte ich. »Die müssen bezahlen.«
    »Verschwinde«, sagte der Chinese.
    »Los«, sagte der Inder.
    Ich fluchte leise vor mich hin, trat wieder in den Fahrstuhl, drückte schimpfend auf eine Taste.
    Der Inder machte einen Schritt nach vorn, griff nach der Tür. »Arbeitest du für die Leute im Penthouse?«
    »Nein. Für Wong's Garden.«
    »Name?«
    »Nisar Amir.«
    »Nimm die Brille ab.«
    Ich hatte immer noch meine Gucci-Sonnenbrille auf. Ich stellte eine der Tüten auf den Boden und nahm die Brille ab. Er musterte mein Gesicht mit dem Blick eines Polizisten, der die Gesichter Tausender von Apradhis im Schnelldurchlauf Revue passieren läßt. Ich schaute nicht weg und versuchte, ihn nicht zu hassen. Ich dachte immer wieder: Sei der Mann vom Lieferservice.
    »Okay«, sagte er und ließ die Tür los.
    Mit einem dumpfen Schlag von Gummi und Metall war ich ihrem Blick entzogen. Ich sank gegen den Spiegel an der hinteren Wand des Aufzugs. Meine Beine zitterten. Ich nahm die Essenstüten mit ins Erdgeschoß, hielt sie vor meine Brust wie einen Schild. Dann stieg ich in Arvinds schickes Auto und fuhr weg.

    Ich brauchte drei Tage, um aus Singapur herauszukommen, und es war nicht leicht. Ich wußte nicht, wer die Männer waren, die mich in meinem Penthouse aufgespürt hatten. Doch sie hatten nach der Durchsuchung meiner Wohnung natürlich meine neuen Pässe und damit auch mein neues Gesicht. Ich dagegen hatte bloß zwei Handys und dreihundertdreiundsiebzig Singapur-Dollars. Aber ich konnte immerhin mit meinen Jungs reden, und ich hatte meinen Verstand. Ich verließ das Land schließlich in einem kleinen Ruderboot, das mich zu einem anderen, größeren Boot brachte, in dem ich unter Holzlatten in Dunkelheit und Fischgestank lag. Mit diesem Boot gelangte ich durch die Straße von Johor zu einem wieder anderen kleinen Boot, das mich schließlich an einem malaysischen Strand absetzte. Am nächsten Tag war ich in Thailand.
    Ich war in Sicherheit, doch Arvind war tot. Einen Tag nach meinem Ausflug in das chinesische Restaurant gab die Polizei von Singapur bekannt, man habe im Penthouse seine Leiche gefunden. Es war dreimal auf ihn geschossen worden. Auf Suhasini hatte man einmal geschossen, in den Kopf. Auch die Kinder waren tot. Der Singapurer Polizei zufolge hatte Suhasini den unbekannten Angreifern die Tür geöffnet und war sofort getötet worden. Arvind hatte auf die Eindringlinge geschossen, diese hatten das Feuer erwidert, und in dem Schußwechsel waren die Kinder ums Leben gekommen. Und schließlich war auch Arvind im Kugelhagel der Mörder gefallen.
    Das war alles. Die Singapurer Obrigkeiten bekundeten ihr Entsetzen über diesen Ausbruch beispiellos brutaler Bandenkriminalität in der Gartenstadt und kündigten schärfere Einwanderungskontrollen an. Die Polizei brauchte vier Tage, um hinter Arvinds Decknamen zu kommen und herauszufinden, wer er wirklich war, und dann berichteten die Zeitungen in Indien auf der Titelseite über das Massaker und stellten Theorien über die Identität der Mörder auf. Sie tippten auf Suleiman Isa und seine Leute, lobten deren Plan sowie die Kühnheit, ihn mitten im strengen Singapur auszuführen, und druckten schematische Darstellungen der einzelnen Zimmer ab, in denen kleine Strichmännchen aufeinander schössen. Vor allem aber fragten sie: »Wie konnte Ganesh Gaitonde entkommen?«
    Ich war entkommen, ja. Bloß wem? Es bot sich an, zu glauben, das seien wieder einmal die Jungs aus Dubai gewesen. Es bot sich zu sehr an, paßte zu gut. Ich mußte immer wieder an diese Haarschnitte denken. Diese beiden Männer vor dem Aufzug - hatten sie sich nicht wie Polizisten, wie Soldaten gehalten? Vielleicht war es ja nicht Suleiman Isa, der hier zugeschlagen hatte, sondern eine Regierung. Kulkarni und seine Organisation waren sehr wütend auf mich, vielleicht hatten sie beschlossen, die Zusammenarbeit mit mir zu beenden, dieses Konto zu schließen. Vielleicht hatten sie beschlossen, Ganesh Gaitonde zu erledigen. Ich hatte genau solche Missionen selbst für sie durchgeführt, wenn sie hinter einst wichtigen, zur Belastung gewordenen Mitarbeitern her gewesen waren. Versetz diesen Mann in den

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