Der Pate von Bombay
Ruhestand, hatten sie gesagt, er war mal einer von uns, doch jetzt ist er gegen uns. Oder zumindest nicht mehr für uns. Und ich hatte es getan, hatte irgendeinen armen Chutiya in Kathmandu, Brüssel oder Kampala aufgespürt und umgebracht. Wen immer sie mir genannt hatten und wo auch immer. Ich hatte es getan. Und jetzt waren sie hinter mir her.
Nein, nein - das durfte ich nicht glauben. Zieh keine voreiligen Schlüsse, sagte ich mir. Füg dir diese Verletzung nicht zu, glaub nicht, daß dein eigenes Land dich so sehr verabscheut, daß es dich weghaben will, ausgelöscht, erledigt. Ich telefonierte in dieser Woche dreimal mit Kulkarni, und er war immer höflich und zeigte sich betroffen über das, was geschehen war. Er sagte, er lasse selbst umfassende Ermittlungen durchführen, und versprach, neue Informationen aus Singapur unmittelbar an mich weiterzuleiten. Nach diesen Telefonaten legte ich jedesmal beruhigt und ermutigt auf. Doch es dauerte keine fünf Minuten, bis ich das in seinem Honig verborgene Gift entdeckte. Ja, er beruhigte mich, aber vielleicht war das eine Falle, die Vorbereitung für eine weitere Attacke. Vielleicht hatten sie ihre Beobachter schon postiert, vielleicht waren sie bereits in Stellung gegangen und kurz davor, mich vom Spielfeld zu fegen. Wer hatte mich in Singapur verraten, wer kannte die Adresse des Penthouse und die Sicherheitscodes für den Haupteingang des Gebäudes und den Aufzug, wer wußte genug, um die Videokameras ausschalten zu können, die in jedem Hausflur hingen? Wo waren diese Informationen hergekommen? Hatte Zoya mich verraten? Warum hatte sie ihren Flug verpaßt? Es hatte an diesem Tag tatsächlich einen Stau auf der Schnellstraße gegeben, das hatte ich überprüft, aber warum war sie erst so spät vom Set losgefahren? Oder war es Arvind gewesen, hatte er mit irgend jemandem einen Deal gemacht und war selbst verraten worden? Hatten die Killer Anweisung erhalten, auch den Informanten zu beseitigen, tabula rasa zu machen? Es war möglich. Es war alles möglich.
Ich lag unter dem thailändischen Vollmond wach und quälte mich mit all diesen Möglichkeiten herum. Und als ich morgens aufstand, hatte ich Angst. Guru-ji hatte mir gesagt, daß ich in großer Gefahr schwebte, und ich wußte, sie war noch nicht vorbei. Ich begann wieder eine Pistole zu tragen, nach vielen Jahren ohne. Und nach zwei Tagen schnallte ich mir eine zweite ans Fußgelenk. Ich ließ mir die beste kugelsichere Weste, die es derzeit gab, aus Amerika kommen und trug sie den ganzen Tag unter dem Hemd, eine Weste der Schutzklasse 1, die selbst die Kugeln einer .44er Magnum von meiner Brust und meinem Rücken fernhalten würde. Ich erhöhte die Anzahl der bewaffneten Posten auf der Yacht und ließ sie in drei Schichten Wache schieben. Ich übernachtete mal auf dem Boot, mal in verschiedenen Häusern an Land und variierte meine Wege.
Unterdessen reihte sich ein Unglück ans andere. Eines Nachmittags rief mich Bunty in sehr gedrückter Stimmung an, er, der doch sonst immer so fröhlich war. »Bhai«, sagte er. »Ich bin in einer Klinik.«
»Was ist denn los?« Ich malte mir ein Dutzend Tragödien gleichzeitig aus: Syphilis, Schußwunden, seine Kinder schwer an Malaria erkrankt.
»Pascal und Gaston, Bhai. Sie liegen beide hier im Krankenhaus.«
»Was? Ich dachte, nur Gaston hat Diabetes? Hat er den anderen angesteckt?«
Das entlockte ihm ein kurzes Lachen, aber wirklich nur ein ganz kurzes. »Nein, Bhai. Es ist etwas anderes. Sie sind beide krank. Und die beiden Jungs, die sie auf der letzten Tour begleitet haben, auch. Sie übergeben sich alle immer wieder.«
Er meinte die Fahrt, die sie für Guru-ji gemacht hatten, diese letzte, spezielle Lieferung, um die er mich gebeten hatte. Ich sagte: »Diese Idioten haben bestimmt schlechten Fisch gegessen.«
»Gaston fallen die Haare aus, Bhai.«
»Das tun sie doch schon seit Jahren.«
Bunty sagte nichts. Er war richtig grimmig. Schon allein daß er sich die Zeit genommen hatte, zur Klinik zu fahren, war ungewöhnlich. Er war ein vielbeschäftigter Mann, dafür sorgte ich schon. Und er lachte überhaupt nicht mehr, Bunty, der sich sonst ständig über Männer, denen in die Go-lis geschossen wurde, und ähnliches lustig machte. Gastons Zustand mußte wirklich sehr ernst sein, zu ernst. »Okay«, sagte ich. »Sieh zu, daß sie gute Ärzte haben. Wenn es an Geld fehlt, zahle. Kümmer dich um sie.«
»Ja, Bhai, so habe ich mir das auch gedacht. Sie sind
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