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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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völlig ein. Die Zeit hatte sich in eine gummiartige Tiefe aus Mondlicht aufgelöst, in der ich nun trieb, eine transparente Gestalt, die von Wogen hochgehoben und immer weiter fortgetragen wurde. Ich gehe zügig hinter Salim Kaka her, durch einen schmatzenden Sumpf. Mathu geht zu meiner Rechten. Wir haben das Gold und sind entkommen. Wir sind froh. Vor uns liegt ein Gewässer, ein schmaler Fluß, der sich durch den schlammigen Boden zieht. Salim Kaka steht an seinem Rand. Ich starre Mathu an, versuche seine Augen zu erkennen. Salim Kaka hat einen Fuß ins Wasser gesetzt. Eine Pistole liegt in meiner Hand.
    Jählings raffte ich mich hoch und sprang aus dem Bett. Ich riß die Tür auf, lief durch den Gang und klopfte überall. Ich weckte die Jungs und beorderte sie nach oben. »Schauen wir uns einen Film an«, schlug ich vor. Sie waren verwirrt und schläfrig, doch sie stellten keine Fragen. Innerhalb von zehn Minuten saßen wir vor dem Fernseher, und die Diskussion um die Auswahl des Films war in vollem Gange. Sie boten mir Company an, den ich immer noch nicht gesehen hatte. Doch ich kannte die Story, den mehrfachen Verrat, und ich kannte die wahren Protagonisten, Chhota Madhav und seinen alten Freund in Karatschi. An diesem Morgen wollte ich weder die Kugeln noch das Blut dieses Films. Also wühlten sie in den Kisten mit Videos und DVDs herum, und schließlich einigten wir uns auf Humjoli .
    Wir sahen zu, wie Jeetendra und Mehmood auf dem Bildschirm herumsprangen und auf ihre Feinde einschlugen, während sie One, two, chal shuru hoja sangen, und das Gelächter, das den Raum erfüllte, lenkte mich angenehm ab. Die lebendigen Farben der Siebziger wirkten entspannend, und selbst Jeetendras knallenge Hose tat gut. Diese Vergangenheit war ein fremdes Land, in das ich fliehen konnte, eine Zuflucht, die durch nichts mehr gestört werden konnte. Im Laufe der nächsten zwei Tage sahen wir uns Dil Diya Dard Liya 173 , Anand und Haathi Mere Sathi an. Als der Anruf aus Mumbai kam, lief gerade die Szene kurz vor dem Ende von Guide, wo Rosie den sich zu Tode fastenden Raju besucht. »Bhai, Nikhil aus Mumbai ist dran. Buntys Assistent.« Ich wischte mir die Tränen von den Wangen und nahm das Telefon entgegen. Ich sprach nur selten mit diesem Nikhil, der seit vier Jahren für Bunty arbeitete. Nikhil unterstand Bunty, und Bunty unterstand mir, das war die Befehlskette.
    »Was gibt's?« fragte ich.
    »Man hat auf Bunty geschossen, Bhai.«
    »Wer?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er schluckte immer wieder, hickste mir ins Ohr, und ich wußte, daß er kurz davor war, sich zu übergeben. »Nikhil«, sagte ich. »Setz dich erst mal hin. Sitzt du? Setz dich. Mach dir keine Sorgen. Meine Jungs sind schon unterwegs. Erzähl mir, was passiert ist.«
    Er brauchte zwanzig Minuten, und zweimal kam es ihm wirklich hoch, doch schließlich hatte ich die ganze Geschichte. Bunty war morgens zum Juhu Maurya gefahren und hatte sich von einer Spezialistin in der Thai-Tempel-Technik eine Massage geben lassen. Dann war er zu einem Arbeitsfrühstück ins Café gegangen, wo er sich etwas Schokoladenkuchen für seine Kinder einpacken ließ. Er wartete in der Lobby, bis sein Wagen vorfuhr, und ging dann, von drei Leibwächtern flankiert, die Treppe hinunter. In der Einfahrt standen drei große Türsteher mit Turban und Livree sowie vier Sicherheitsleute des Hotels in grauen Safarianzügen. Diese vier Männer griffen nun unter ihre Hemden, zogen Glocks hervor und schössen auf Bunty und seine Jungs, zwei Kugeln pro Ziel. Es war eine hocheffiziente, zackig durchgeführte Aktion. Die Leibwächter wurden umgepustet, sie fielen tot zu Boden. Bunty hatte sich gebückt, um ins Auto einzusteigen, und wurde durch die offene Tür hineingeschleudert. Das und die Tatsache, daß sein Fahrer so schnell reagierte, retteten ihm das Leben: Die Kugeln trafen Bunty in Rücken und Hals statt in den Hinterkopf, und als er mit dem Gesicht nach vorn auf den Sitz fiel, trat sein Fahrer aufs Gas und raste davon. Bunty hing halb aus dem Auto und wurde mitgeschleift, was ihn vier Zehen an seinem rechten Fuß kostete, doch er überlebte. Der Fahrer schaffte ihn vom Hotelgelände, während Schüsse auf die Heckscheibe und die linken Fenster niederhagelten. Einer der Sikh-Türsteher stellte sich den Killern in den Weg und erntete dafür einen Bauchschuß. Dann kamen die echten Sicherheitsleute des Hotels angerannt, und ein paar Polizisten von der Wache an der Kreuzung trotteten herbei, doch

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