Der Pate von Bombay
würde wieder spät werden, und er würde wieder einmal nicht um ein schlechtes Restaurantessen herumkommen. Es war gar nicht so einfach, sich im Hinblick auf ein langes Leben gesund zu ernähren. Man brauchte Zeit, man brauchte Geld, man brauchte eine gewisse Position, vielleicht brauchte man sogar Bodyguards. Na ja, dachte er, so alt bin ich noch nicht, mein Körper funktioniert noch. Nächstes Jahr kann ich mir immer noch Gedanken darüber machen. Er räumte einen Schreibtisch frei und machte sich an die Arbeit.
Sartaj und Kamble hatten vorgehabt, Umesh später am Abend zur Rede zu stellen, doch um halb acht erhielt Sartaj einen Anruf von Anjali Mathur. »Ich komme Punkt acht auf dem Inlandsflughafen an. Wir treffen uns dort.«
Sie trat inmitten einer Gruppe von Männern aus dem Flughafengebäude. Eine zweite Gruppe erwartete sie am Ende des überdachten Gangs, dann tauchte sie aus dem hektischen Gewimmel von Safarianzügen auf und winkte Sartaj zu. Sie trug ihre üblichen robusten Schuhe und ein grünes Salvar-kamiz, und sie wirkte sehr müde.
»Das ist mein Chef, Mr. Kulkarni. Steigen Sie bitte mit uns ins Auto.«
Sartaj folgte ihnen zu einem weißen Ambassador auf dem Parkplatz. Der Chef, ein gelehrt wirkender Bürokrat mit dicken Brillengläsern, bedeutete Sartaj, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, er selbst und Anjali setzten sich nach hinten. Die Klimaanlage war eingeschaltet, und der Fahrer stand neben dem Wagen, aber anscheinend hatte niemand vor loszufahren. Kulkarni verschränkte die Arme und sagte: »Bitte, Anjali.«
Es war ein eingehendes, präzises Briefing. Anjali war Sartajs Hinweis zu Gaitonde und dem Guru nachgegangen. Der Guru - ein gewisser Shridhar Shukla - war im vergangenen Jahr verschwunden beziehungsweise hatte sich »in ein spirituelles Zentrum zurückgezogen«, so seine Leute, die den Beamten keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme hatten nennen können. Die Organisation befand sich nach seinem Verschwinden in Auflösung, es war zu erbitterten internen Machtkämpfen und sogar zu Morden gekommen, und die überregionale Presse hatte ausführlich darüber berichtet. Der erste dieser unerfreulichen Vorfälle, ein Doppelmord, hatte sich in dem Aschram bei Chandigarh ereignet. Einer der herbeigerufenen Polizisten - er befand sich noch in der Probezeit, und es war sein erster Einsatz - hatte in dem Raum, in dem der Mord geschehen war, Geld gefunden, genau neunzigtausend Rupien. Er hatte es aufs Revier gebracht, und sein Vorgesetzter hatte es als Falschgeld identifiziert. Die Verantwortlichen des Aschrams hatten im Verhör ausgesagt, es sei vermutlich Teil einer anonymen Spende. Näheres war nicht zu erfahren. So war der Stand der Dinge: ein paar Notizen in ein paar vergessenen Aktenordnern und ein Stapel Falschgeld in einer Asservatenkammer.
Sechs Wochen später stürmte ein bewaffneter Polizeitrupp auf den Tip eines verärgerten Dhobis hin eine Wohnung in Jullunder. Der Dhobi hatte dort gebügelte Hemden abgeliefert, er war wegen eines beschädigten Hemdes mit einem der drei Bewohner in Streit geraten und hatte weniger Geld bekommen, als ihm zustand. Daraufhin war er zur Polizei gegangen und hatte erklärt, die drei Männer - einer von ihnen sei ein blonder Ausländer - handelten von der Wohnung aus mit Drogen, und es gingen dort ständig verdächtige Gestalten ein und aus. Eine Spezialeinheit hatte die Razzia durchgeführt, doch es wurden keine Drogen gefunden, und es wurde niemand verhaftet, obwohl in der Küche noch ein Topf Reis auf dem Herd stand, als die Polizei kam. Die drei Mieter der Wohnung waren offenbar über eine Hintertreppe, die nicht bemerkt und nicht gesichert worden war, entkommen. Man fand in der Wohnung drei Koffer und diverse Kleidungsstücke, einige Bücher, ein Notebook und zehntausend Rupien in bar. Das Geld erwies sich bei näherer Überprüfung als gefälscht, das Notebook war durch ein Paßwort geschützt. Man baute die Festplatte aus, schloß sie an einen anderen Computer an und durchsuchte sie. Alle Dateien waren mit einem handelsüblichen Programm namens DeepCrypt verschlüsselt und auf einem logischen Laufwerk gespeichert worden. Der von der Polizei beauftragte Computerfachmann versuchte auf alle möglichen Arten, den Code zu knacken, jedoch ohne Erfolg. Daß die Männer geflüchtet waren, gab zu denken, aber die Polizei von Jullunder sah keinen Anlaß, die Sache weiterzuverfolgen, und verfügte auch nicht über die Mittel dazu. So wurde der Fall zu den
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