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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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die Terrasse‹, und das Haus scheint in der Innenstadt zu sein. Das ist alles.«
    »Warum tun die das?«
    Kulkarni nahm seine Brille ab und rieb die Gläser blank. »Das wissen wir nicht«, sagte er. »Auf der Festplatte sind auch Dateien mit Texten und Bildern für drei Broschüren, die angeblich von einer extremistischen islamischen Organisation namens Hizbuddin herausgegeben werden.« Er setzte die Brille wieder auf und wirkte dabei wie ein zerstreuter Professor. »Wir hatten im Zuge von Razzien bei diversen verbotenen Organisationen bereits solche Broschüren sichergestellt und den Eindruck gewonnen, daß es sich bei der Hizbuddin um eine fundamentalistische Gruppe mit Verbindungen nach Pakistan handelt. Wir wußten, daß sie gleichgesinnte Gruppierungen finanziert und möglicherweise einen großen Terroranschlag plant. Diese neue Information würde aber nahelegen, daß die Hizbuddin nur Fassade ist, eine Scheinorganisation, die dieser Guru Shridhar Shukla und seine Leute aufgebaut haben. Unsere Theorie sieht nun so aus: Sie haben vor, den Sprengsatz zu zünden und die Sache dem islamischen Fundamentalismus in die Schuhe zu schieben. Nach der bisherigen Beweislage ist die Hizbuddin also eine falsche Fährte, die dieser Shukla und seine Organisation gelegt haben. Die Hizbuddin würde dann nach einem nuklearen Zwischenfall die Verantwortung übernehmen, und man würde ihr auch Glauben schenken.«
    »Aber warum? Was wollen die damit erreichen?«
    Das Licht fiel so auf Kulkarnis Brillengläser, daß darin kleine Halbmonde entstanden. Er zuckte die Schultern. »Wir wissen nichts über Motive oder beabsichtigte Folgen. Vielleicht wollen sie Hochspannung, Eskalation, Vergeltung.«
    Sartaj wollte nicht darüber nachdenken, was Vergeltung in diesem Fall bedeutete, aber er konnte nicht anders: Er mußte einfach fragen, welche Katastrophe ihnen drohte. »Wenn sie diesen - diesen Sprengsatz zünden«, sagte er, »was passiert dann? Wie groß ist er?«
    Kulkarni wies mit einem leichten Nicken auf Anjali. Offenbar war sie in dem Team für die Details zuständig. »Nach unseren Erkenntnissen«, sagte sie, »ist es kein kleiner Sprengsatz. Seine Herstellung hat möglicherweise deshalb länger gedauert, weil eine höhere Sprengkraft beabsichtigt ist. Mit Miniaturisierung haben diese Leute nichts im Sinn. Vermutlich wurde er auf der Ladefläche eines Lastwagens in die Stadt gebracht. Wenn er explodiert ...« Sie schluckte. »Wahrscheinlich ein großer Teil der Stadt.«
    »Alles?«
    »Fast alles. Wenn sie sorgfältig planen und ihn gut plazieren.«
    Sartaj zweifelte nicht daran, daß sie ihn hervorragend plazieren würden. Sie hatten Ziel und Mittel kalkuliert und würden die Vernichtung sicherstellen. Es blieb nur noch eine Frage. »Was machen wir jetzt?«
    Kulkarni hatte so etwas wie einen Plan. »Wir bilden unverzüglich einen Krisenstab im Polizeipräsidium von Colaba«, sagte er. »Innerhalb der nächsten zwei Stunden lösen wir Alarm aus. Aber der Sprengsatz wird mit keinem Wort erwähnt. Wir sagen nur, wir hätten einen zuverlässigen Hinweis auf einen großen Terroranschlag. Eine Erwähnung des Sprengsatzes könnte zu einer Massenpanik führen, die Leute würden in Panik die Stadt verlassen und so weiter. Die Dinge würden völlig außer Kontrolle geraten. Das wollen wir nicht.«
    Sartaj konnte sich die Massenflucht vorstellen, von Autos und Lastwagen verstopfte Überlandstraßen, Menschen, die verzweifelt in die Züge drängten, die Schreie verlorengegangener Kinder. Und irgendwo in seinem Innern meldete sich das Bedürfnis, Mary zu warnen, Majid Khans Kinder aus der Stadt zu schaffen. Doch er nickte und sagte: »Ja. Ja.«
    »Wenn etwas über den Sprengsatz durchsickert«, sagte Anjali, »könnten es auch die Leute erfahren, die den Sprengsatz zünden wollen. Und um nicht entdeckt und daran gehindert zu werden, könnten sie es gleich tun. Das müssen wir bei den Ermittlungen immer im Auge behalten. Es darf nichts nach außen dringen.«
    »Auf keinen Fall«, sagte Sartaj. »Aber worauf warten diese Leute noch?«
    »Über ihren Zeitplan wissen wir nichts«, antwortete Anjali. »Wir möchten, daß Sie weiter für uns ermitteln. Sie haben sehr gute Arbeit geleistet. Nutzen Sie Ihre Quellen.«
    Damit entließen sie Sartaj, und er blieb in den Abgaswolken mehrerer Ambassadors zurück. Er war hellwach und zugleich wie betäubt. Orangefarbene Lichter brannten über dem Terminalgebäude. Schweiß sickerte in der zunehmenden Hitze

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