Der Pate von Bombay
Akten gelegt und vergessen. Bis eine Erwähnung des Falschgeldes durch vielfältige Kanäle und Schichten hindurch in eine Datenbank mit sämtlichen Erwähnungen solcher Fälschungen geriet, die von Anjali Mathur in Delhi angezapft worden war. Und im Zuge ihrer bedächtigen, sorgfältigen und unermüdlichen Überprüfung dieser Listen von Falschgeldfunden hatte sie festgestellt, daß in der Jullunder-Datei von Guru Shridhar Shukla die Rede war. Auf dem konfiszierten Notebook war der Cache des Browsers auf einem unverschlüsselten Teil der Festplatte gespeichert; in den fraglichen drei Wochen waren nur drei Websites geöffnet worden: Hotmail, eine Pornoseite namens www.hotdesibabes.com und die Website des Gurus.
Anjali Mathur hatte Kulkarni über diese zugegebenermaßen vage Verbindung informiert und ihm gesagt, daß es sich in beiden Fällen um Falschgeld desselben Typs handelte, auf demselben Papier, von denselben Druckplatten, und daß beide Male der Guru im Spiel war. Kulkarni hatte ihr in seiner grenzenlosen Weisheit gestattet, die Computerabteilung einzuschalten, die versuchen sollte, die Verschlüsselung des Notebooks von Jullunder zu knacken. Doch das Notebook war aus dem zuständigen Polizeirevier verschwunden. Der Dienststellenleiter entschuldigte sich vielmals und versprach, die Asservatenkammer in Zukunft besser zu sichern; er werde eine Untersuchung veranlassen und die für den Verlust verantwortlichen Beamten bestrafen. Die Ermittlungen kamen zum Erliegen, bis Anjali Mathur wieder einfiel, daß die Festplatte ja aus dem Notebook entfernt worden war. Sie rief den zuständigen Revierleiter an, und Dienstag nacht um zwei wurde die Festplatte schließlich gefunden, in einem braunen, mit Gummiband verschlossenen Umschlag, im obersten Fach eines Bücherschranks im Büro des Computerfachmannes. Sie wurde per Kurier umgehend nach Delhi gebracht, zu Anjali Mathur. Und nach zwei Tagen und sieben Stunden waren das verschlüsselte logische Laufwerk entsperrt und die Dateien entschlüsselt.
»Von Entschlüsselung verstehen wir was«, sagte Anjali Mathur nicht ohne Stolz. »Darin sind wir sogar den westlichen Ländern voraus. Und dieses DeepCrypt-Programm ist nicht besonders gut.«
»Zum Glück für uns«, sagte Sartaj.
»Allerdings«, stimmte Kulkarni zu. »Wie sich jetzt zeigt.«
Anjali nickte. »Auf dem Laufwerk haben wir Blaupausen, technische Unterlagen und Arbeitsberichte gefunden. Nachdem wir alles analysiert haben, sind wir überzeugt, daß tatsächlich ein Sprengsatz existiert, daß dieser Sprengsatz aus Materialien gefertigt wurde, die aus dem Ausland stammen, und daß er technisch einwandfrei ist. Diese Leute haben sich auf dem internationalen Schwarzmarkt verbrauchten Kernbrennstoff beschafft und ins Land geschmuggelt. Dann haben sie mit Hilfe von umgebauten Massenspektrometern aus dem verbrauchten Kernbrennstoff waffenfähiges Uran hergestellt. Massenspektrometer sind Geräte, die normalerweise in Universitätseinrichtungen und Labors benutzt werden. Man kann sie ganz legal auf dem freien Markt erwerben. Ein zu einem Calutron umgebautes Massenspektrometer produziert in Wochen und Monaten nur winzige Mengen waffenfähigen Materials, aber mit viel Geduld hat man am Ende genug für einen Sprengsatz. Und wir wissen, daß sie mehrere Calutrone eingesetzt haben, zwölf, fünfzehn vielleicht. Sie hatten also die Zutaten, und sie hatten die nötigen Fachkenntnisse. Wir wissen, daß sie einen Sprengsatz gebaut haben. Und wir wissen auch, daß sich dieser Sprengsatz bereits in Mumbai befindet. Das geht aus E-Mails und Dokumenten hervor, die wir auf der Festplatte gefunden haben.«
»Ein Sprengsatz«, sagte Sartaj. »Sie meinen eine Bombe.«
»Ja.«
»Wo? Wo ist sie?«
»Das ist eben das Problem. Wir wissen es nicht.«
»Keine weiteren Hinweise? Keine Anhaltspunkte?« Sartaj kam sich vor, als stünde er neben sich, als führte ein anderer dieses bizarre Gespräch in einem Auto vor Terminal zwei, an einem ganz normalen schwülen Abend, an dem Reisende und ihre Verwandten Koffer in und auf Autos verstauten. Er versuchte sich zu konzentrieren, seine übliche Detailversessenheit auf das anstehende Problem zu richten. Es kam jetzt darauf an, professionell zu bleiben angesichts dieser schlimmen Phantasie, die zu einer noch schlimmeren Realität wurde. »Irgend etwas muß es doch geben.«
»Nein, nicht viel. Es gibt einen Hinweis auf ein Haus in Mumbai. Der betreffende Satz lautet: ›Ich hoffe, Guru-ji genießt
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