Der Pate von Bombay
ihrem selbstbewußten Gang. Wenn sie viel Glück hatte, würde er sie nie wiedersehen, nie wieder von ihr hören. Vorausgesetzt, die Angst und Reue der vergangenen Wochen, die Wut auf den Piloten, die sich in ein paar Tagen einstellen würde, blieben in ihr lebendig. Doch ihre Selbstverliebtheit würde sie früher oder später erneut auf Abwege führen. Sie würde die bittere Lektion, die sie soeben gelernt hatte, vergessen. Sie würde glauben, so etwas könne ihr nicht noch einmal passieren. Sie würde das Bedürfnis haben, mit ihrem Mann zusammen und zugleich ein wenig getrennt von ihm zu leben. Das Leben war lang, und die Ehe war schwierig. Weil sie ihren Mann liebte, würde sie vielleicht erneut Fehler machen. Liebe, überlegte Sartaj, ist eine eiserne Falle. Darin gefangen, schlagen wir um uns, wir erlösen einander, und wir vernichten einander.
Jedenfalls war der Fall abgeschlossen. Er ging ihn nichts mehr an, es sei denn, Kamala Pandey meldete sich noch einmal bei ihm. Er steckte das Geld ein und fuhr zum Revier zurück.
Parulkar hatte sich gerade einen neuen Laptop vorführen lassen, als Sartaj bei ihm anklopfte. »Herein, herein«, rief er. Er beantwortete Sartajs Gruß mit einem Winken und zeigte auf einen Stuhl neben seinem Schreibtisch. Dann faltete er die Hände über dem Bauch und schaute wohlwollend zu, wie der junge Vertreter Kabel aufrollte und sie in einem Koffer verstaute.
»Dann erwarte ich Ihren Anruf«, sagte der Mann.
»Ich werde nicht selbst anrufen, jemand vom technischen Dienst wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen«, sagte Parulkar. »Auf jeden Fall. Das ist eine sehr gute Technologie, die Sie da haben.« Er wartete, bis der Mann mit seinen diversen Koffern gegangen war, und wandte sich dann grinsend Sartaj zu. »Gute Geräte haben die, aber zu teuer. Und sie sind nicht bereit, mit dem Preis runterzugehen, zur Stärkung der Polizei und des Landes beizutragen. Das wird ihnen schlecht bekommen.«
Damit meinte er vermutlich, daß die Firma nicht willens war, auch nur annähernd genug zur Stärkung von Parulkars eigener finanzieller Situation beizutragen, aber Sartaj wollte nichts von alldem wissen. Er erzählte Parulkar von Kamala Pandeys Nöten und deren Ende und von der Bestrafung, die den Piloten erwartete.
»Interessanter Fall«, sagte Parulkar. »Gut gemacht. Wieviel zahlt der Pilot?«
»Das wissen wir noch nicht. Kamble und ich wollen heute abend mit ihm reden. Aber ein paar Lakhs sollten es schon sein, mindestens, in Bar- und Sachleistungen. Der Kerl hat Geld wie Heu.«
»Sehr gut.« Parulkar war erfreut. Sartaj würde Majid Khan etwas abgeben, der würde einen Teil an den ACP weiterreichen, und der wiederum würde Parulkar etwas zukommen lassen. Es würde dann zwar nur noch ein geringer Betrag sein, aber Kleinvieh machte auch Mist.
»Sie sehen so gesund aus, Sir«, sagte Sartaj. Und so war es auch. Parulkar hatte sich das Haar in einer Gelwelle zurückgekämmt, er hatte etwas abgenommen und wirkte jünger.
»Strenge Diät und Fitneßtraining, das ist das Geheimnis, Sartaj. Man muß in Form bleiben. Ohne Gesundheit ist alles andere nichts wert. Ich esse nur noch vegetarisch, und mein Cholesterinspiegel ist gesunken. Es gibt so viele Versuchungen im Leben, aber man muß langfristig planen.«
»Stimmt, Sir.« Sartaj wußte, wie sehr Parulkar sein Chicken pandhara rassa, scharf gewürzt und mit viel Ingwer, und Berge von Biryani liebte. Da er auf all das verzichtete, schien er ein sehr langes Leben und eine fast ebenso lange berufliche Laufbahn zu planen. Es war schön zu sehen, daß er wieder der alte war, selbstbewußt und gerissen. Sartaj lächelte und stellte ihm die naheliegende Frage: »Und was essen Sie jetzt, Sir?«
Parulkar richtete sich auf, bestellte Tee und setze Sartaj ausführlich über Bajra roti 049 , ballaststoffreiche Früchte und die Gefahren von Kristallzucker ins Bild. »Sartaj«, sagte er, »der Körper muß im Gleichgewicht sein, damit die Seele gedeihen kann.« Dann mußte er zu einer Sitzung ins Polizeipräsidium. Sartaj begleitete ihn zu seinem Wagen und schaute zu, wie sich der kleine Konvoi in Bewegung setzte. Parulkars weißer Ambassador wurde von zwei Gypsys voller bewaffneter Polizisten und einem neutralen Wagen mit noch mehr Polizisten in Zivil eskortiert. Parulkar war gut geschützt.
Sartaj ging um das Gebäude der Bezirksdirektion herum ins Revier zurück. Er hatte Schreibkram zu erledigen, mußte an seinen Fällen weiterarbeiten. Es
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