Der Pate von Bombay
von ihm wissen, von Anfang an. »Erzähl«, hatte sie gesagt. Inzwischen waren sie bei seinen Teenagerjahren angelangt. Es war sehr spät, lange nach Mitternacht schon, doch Sartaj fühlte sich hellwach und seltsam zufrieden. Sein Körper war entspannt, und der angenehme Schmerz in seinen Muskeln erinnerte daran, daß sie Sex gehabt hatten. Er war ungeschickt gewesen, unsicher und zu besorgt hinterher, aber irgendwie spielte das alles jetzt keine Rolle mehr. Es hatte gutgetan, von ihr umfangen zu werden, den lebendigen Puls in ihr zu spüren. Es tat gut, neben ihr zu liegen, ihr das Haar hinter die Ohren zu streichen, ihre Fragen zu beantworten. »Und wie hieß sie?« wollte sie wissen.
Sartaj hatte ihr von seiner ersten Freundin erzählt. »Sudha Sharma. Sie hat zwei Häuser weiter gewohnt, und ihr Bruder war mein bester Freund.«
»Und irgendwann ist er hinter die Geschichte zwischen dir und seiner Schwester gekommen und hat dich verprügelt?«
»Nein, er hat es nie erfahren. Der hätte mich umgebracht. Aber wir waren sehr vorsichtig.«
»Wie alt warst du damals?«
»Fünfzehn.«
»Fünfzehn! Mit Fünfzehn hatte ich von Sex noch keinen blassen Schimmer. So schlimm warst du mit Fünfzehn?« Mary kniff ihn kräftig in die Schulter.
»Are, ich hab nicht gesagt, daß wir Sex hatten. Wo denn auch? Im Zimmer ihres Vaters? In dem Haus gab es so viele Tanten und Großmütter, daß man sich nicht mal umdrehen konnte, ohne daß einen jemand gefragt hat, was man vorhat.«
»Und trotzdem hast du das arme Mädchen verdorben.«
»Verdorben? Ich? Ich hätte mich nicht mal getraut, sie auch nur anzuschauen. Sie war drei Jahre älter als ich und hat mir von sich aus jedesmal eine Extraportion Aampapad 002 gegeben, wenn ich dort war. Und unter dem Tisch hat sie meine Hand gehalten. Ich hatte solche Angst, daß ich nicht mal mein Glas Wasser trinken konnte.«
»Die Mädchen hier in Bombay sind einfach zu schnell. Und dann?«
»Wir haben uns immer nachmittags getroffen, im Anschluß an ihre Nachhilfestunden.«
»Und dann hast du sie geküßt?«
»Sie hat mich geküßt.«
»Ah. Wo?«
»Na, hier natürlich.« Sartaj zeigte auf seinen Mund.
»Das wollte ich gar nicht wissen.« Mary schaute gespielt ärgerlich drein und küßte ihn dann flüchtig dorthin, wohin er gezeigt hatte. »Ich meine, wo das war. Im Zimmer ihres Vaters?«
»Das erste Mal in einem Restaurant in Colaba. Erst waren noch zwei Freundinnen von ihr dabei, aber die sind bald gegangen. Später dann auf den Felsen in Bandra.«
»An der Strandpromenade? So eine schamlose Person!«
»Sudha? Nein. Sudha war eben Sudha.«
Er lächelte wohl etwas zu zärtlich bei der Erinnerung, denn Mary kniff ihn erneut. »Und wie ging's weiter? Hast du sie geheiratet?«
»Ich war zu jung. Ein paar Jahre später hat sie jemand anderen geheiratet. Ihre Eltern hatten die Ehe arrangiert. Ich war auf der Hochzeit.«
»Ach, du Armer.«
»Nein, nein, gar nicht. Wir hatten nie ans Heiraten gedacht. Ich war ja noch viel zu jung. Und außerdem aus einer anderen Kaste.«
»Und trotzdem hat sie dich verführt. Du lieber Himmel!« neckte ihn Mary und strich über seine Brust. »Aber wahrscheinlich konnte sie Sartaj Singh einfach nicht widerstehen.«
»Ja. Ich war damals schon so groß wie jetzt.«
»Und fast so gutaussehend wie jetzt. Fast wie ein Filmstar«, sagte sie mit leisem Spott.
»Machst du dich etwa über mich lustig? Ja?« Er hatte inzwischen herausgefunden, daß sie sehr kitzlig war, und jetzt kreischte sie und wand sich unter seinen Fingerspitzen.
»Nur ein bißchen«, brachte sie schließlich hervor.
Ihre Brüste preßten sich an ihn, und das dunkle Rund ihrer Brustwarzen verschwand und erschien dann wieder. Sie bemerkte seinen Blick und griff nach dem Laken. Sie war seltsam verschämt für ihr Alter, für eine Frau, die eine Ehe und eine Scheidung hinter sich hatte. Vielleicht war das bei Frauen so, die vom Land stammten. Sartaj war noch nie mit einer zusammen gewesen. Und diese lag nun auf der Seite, das Laken bis zum Kinn hochgezogen, und sah ihn aufmerksam an. »Was ist?« fragte Sartaj.
»Was ist was? Versuch nur nicht abzulenken. Okay, das schnelle Mädchen hat also diesen armen Kerl geheiratet. Und dann? Wen hast du geheiratet?«
Da zog er sie an sich und erzählte ihr von Megha, von seiner aufregenden, unmöglichen Collegeliebe über Klassenschranken und unüberwindbare Barrieren von Akzent, Kleidung und Musik hinweg. Er erzählte, wie unbegreiflich Megha
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