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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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seine Vorliebe für alte Shammi-Kapoor-Filme 582 gefunden und wie sie ihn davon abgebracht hatte, Schlaghosen zu tragen. Und wie sie schließlich geheiratet hatten und gescheitert waren. Oder in einem Punkt vielleicht auch nicht gescheitert waren: Sie hatten einander nicht allzu weh getan.
    Mary murmelte etwas Teilnahmsvolles, dann seufzte sie, ihr Atem ging gleichmäßiger, und ihre Arme und Beine zuckten leicht. Sartaj lächelte. Ihr Haar streifte seine Nase, und er dachte an die Zeit zurück, als er mit Sudha den Marine Drive entlanggeschlendert war, als er in einer Nische im hinteren Teil eines iranischen Restaurants in höchster Erregung und Angst seinen Schenkel an ihren gepreßt hatte. Er hatte damals ständig an Sex und Liebe gedacht. Manchmal schien keine Minute zu vergehen, in der nicht irgendein lüsternes Bild durch sein überreiztes Hirn schwirrte. Und eine quälende Sehnsucht hatte ihn erfüllt, nach einer Phantasiegestalt, verschwommen und doch strahlend, nach einer Frau, die schön und lieb war, verständnisvoll, sexy und hilfsbereit - alles, was man sich nur wünschen konnte. Anfangs hatte er geglaubt, Megha verkörpere all das, und nur Vaheguru wußte, was Megha in ihm gesehen hatte. Sie hatten einander enttäuscht. Er hatte geglaubt, er würde sich nie mehr von dieser Enttäuschung erholen, und eine Zeitlang hatte er sich für einen Zyniker gehalten. Dann hatte er gemerkt, daß er nach wie vor ein Gefühlsmensch war. Spätnachts rührte ihn Dilip Kumar 174 in Dil Diya Dard Liya zu Tränen, und er hatte einen Riesenkloß im Hals, wenn er in der Zeitung von armen Jungen las, die im Schein von Straßenlaternen gelernt und es später in den indischen Verwaltungsdienst geschafft hatten. Und nun lag diese Frau, diese Mary neben ihm. Das war keine Illusion, keine hitzige Filmi-Romanze, es war weder Zynismus noch Sentimentalität, es war etwas anderes. Die Liebe erwies sich als etwas völlig anderes, als er es sich mit Fünfzehn vorgestellt hatte.
    Sartaj hob Marys Kopf von seiner Schulter und bettete ihn auf ein Kissen. Er drehte sich zu ihr, legte die Hand auf ihren Schenkel und versuchte einzuschlafen. Aber nun mußte er wieder an die Bombe denken. Im Moment fühlte er sich sicher, und so versuchte er sich wieder vorzustellen, wie dieser Sprengsatz aussehen mochte, aber er sah nur ein Gewirr von Drähten vor sich, Stahlblech und Displays mit rasend schnell durchlaufenden LED-Ziffern. Vielleicht würde der Sprengsatz ihm Mary, kaum daß er sie endlich gefunden hatte, wieder entreißen. Das war eine reale Möglichkeit, und doch stellte sich nicht das starke Gefühl ein, das er erwartet hatte: Wut, dumpfer Trübsinn oder Verzweiflung. Er berührte Marys Wange. Wir haben einander schon verloren, dachte er. Wir besitzen die Menschen, die wir lieben, und gleich darauf verlieren wir sie wieder: an die Sterblichkeit, an die Zeit, an die Geschichte, an sie selbst. Was uns bleibt, sind Augenblicke der Großherzigkeit, Vertrauen, Freundschaft und Lust, die wir einander schenken können. Was auch kommen mag -dieses Liegen im Dunkeln, dieses gemeinsame Atmen kann uns niemand mehr nehmen. Und das genügt. Wir sind hier, und wir werden hier bleiben. Vielleicht schätzte Kulkarni die Menschen in Bombay falsch ein, vielleicht würden sie in ihrer Stadt bleiben, auch wenn sie wußten, daß ein Feuersturm sie erwartete. Vielleicht würden sie in dem Gassengewirr, das dieses Land so planlos überzog, auf die Bombe warten. Sie waren von überallher gekommen, und sie hatten einen Platz gefunden, hatten sich auf einem schmutzigen Fleckchen Erde niedergelassen, das sie aufnahm, und dann gelebt. Und deshalb würden sie bleiben.

    Die Suche nach dem Guru und seinen Leuten ging natürlich weiter. Sartaj verfolgte Spuren nach Kailashpada und Narain Nagar, wo Bewohner einiger Wohnblocks verdächtige Nachbarn gemeldet hatten, und bis ins weit entfernte Virar. Am Freitagnachmittag schaute er in der Delite Dance Bar vorbei. Shambhu Shetty brachte ihm eine Pepsi und fragte: »Was ist los, Yaar? Ich kriege neuerdings zweimal am Tag Besuch von der Polizei, mindestens. Die kommen hier reingerumpelt und fragen meine Leute nach einem Rollstuhlfahrer und einem Ausländer. Was hätte denn ein Sadhu in einer Bar zu suchen? Aber es ist jeden Tag das gleiche Theater. Das ist nicht gut fürs Geschäft, verstehen Sie?«
    »Das ist nur mal wieder so ein Alarm aus Delhi«, sagte Sartaj. »Wir haben Informationen, denen wir nachgehen müssen, das ist

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