Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
nicht die irgendeiner Laiita. Oder vielleicht doch. Ja, bestimmt war es so. Was wußte Sartaj schon von der Welt, in der diese Jungen und Mädchen lebten, mit ihren Videokameras, dem Internet, ihren Beziehungen mit Fünfzehn? Wer waren diese Leute? Er lebte neben ihnen her, wie viele tausend andere in der Stadt auch, und er kannte sie und kannte sie doch wieder nicht. Alles existierte irgendwie nebeneinander. Mit einiger Mühe brachte er schließlich einen strengen Ton zustande. »Wenn du in deinem Alter schon solche Sachen machst, verbaust du dir dein ganzes Leben.« Er redete weiter, ohne zu wissen, ob er überhaupt glaubte, was er da sagte. Dann legte er Thomas die Hand auf die Schulter und brachte ihn zur Tür. »Hör zu«, sagte er zu seiner eigenen Überraschung, »kümmere dich um deine Mutter. Sie ist ganz allein, und sie arbeitet sehr hart für dich und deinen Bruder. Benimm dich anständig. Mach ihr keine Sorgen.«
    Er hatte gar nicht beabsichtigt, Rachel Mathias zuliebe Thomas' Wohlverhalten einzufordern, aber der Junge schien betroffen, mehr als durch die Ermahnungen davor.
    »Ja, Sir«, sagte er mit Tränen in den Augen. »Ist gut. Tut mir leid, Sir«.

    Beim Aufwachen aus einem tiefen, traumlosen Schlaf fiel Sartajs Blick auf die verschwommene weiße Scheibe eines rotierenden Ventilators an einer grünen Zimmerdecke. Unter großer Anstrengung wandte er den Kopf. Mary saß auf dem Boden und blätterte in einer Zeitschrift. Im Fernsehen sprang eine große Gazellenherde lautlos über einen Hügelkamm und verschwand im gelben Gras. »Wie spät ist es?« fragte er. Draußen war es dunkel.
    »Halb zehn. Du warst todmüde.«
    »Ja. Was liest du da?«
    »Ein Reisemagazin. Da steht was über Tauchen auf den Andamanen. Sieh mal.« Sie stand auf und setzte sich neben Sartaj aufs Bett. Orangefarbene und rote Fische schwammen in einem Meer, dessen Blau den Betrachter förmlich ansprang.
    Sartaj stützte sich auf den Ellbogen. »Warum fährst du nicht hin?« fragte er. »Du solltest mal Urlaub machen.«
    »Kommst du mit?«
    »Ich? Nein, ich kann nicht schwimmen.«
    »Ich spare für Afrika.«
    »Ja, aber erst mal kannst du doch Urlaub machen. Wie wär's mit Kodaikanal?«
    »Da war ich schon.«
    »Dann fahr in dein Dorf.«
    »Da zieht mich nichts mehr hin. Wieso willst du mich denn unbedingt wegschicken?«
    Sartaj setzte sich auf. Er nahm ihr die Zeitschrift ab und faßte ihre Hände. »Es ist im Moment sehr gefährlich hier in der Stadt. Wir erwarten einen großen Terroranschlag. Irgend etwas haben diese Leute vor, das wissen wir. Du fährst besser weg.«
    Mary zog die Schultern hoch. »Kommst du mit?«
    »Ich muß hierbleiben.«
    »Warum?«
    »Das ist mein Job.«
    »Diese Leute zu finden?«
    »Ja.«
    »Was haben die vor?«
    »Etwas - etwas sehr Schlimmes, von ungeheuren Ausmaßen.«
    Sie mußte lachen, dann wurde sie plötzlich ernst. »Entschuldige. Ich glaub dir das natürlich. Deswegen muß ich lachen. Was soll man sonst schon tun?«
    »Du bist sehr tapfer.«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich habe Angst. Aber der Gedanke ist einfach zu verrückt.«
    »Also fährst du weg?«
    »Nein, jedenfalls nicht allein. Wozu? Alles, was ich habe, ist hier.«
    Ihre Augen waren feucht geworden. Er küßte sie, und sie schmiegte sich an ihn, ihre Lippen an seinen, ihre Zunge warm und geschmeidig, dann kniete sie sich über ihn. Sie lachten beide, als er zusammenzuckte und seinen Schenkel unter ihrem Knie hervorzog. Sie küßte ihn auf die Mundwinkel, dann nahm sie seine Hand, führte sie nach oben und legte sie auf ihre Brust. Einen Moment lang regten sie sich nicht, und Sartaj sah, wie sich die Sprenkel in ihren Augen im Lampenschein bewegten, dahinter ein sanftes, unbestimmtes Dunkel. Sie lächelten einander an. Sartaj begann Marys blaue Bluse aufzuknöpfen, einen Knopf nach dem anderen. Die Knöpfe waren klein, und Sartaj mühte sich mit jedem einzelnen ab. Er kam sich ziemlich ungeschickt vor. Mary lachte ihn leise aus und lehnte sich zurück, damit er besser an die unteren Knöpfe herankam. Er ahmte ihr Kichern nach, und sie beugte sich wieder vor, schmiegte die Wange an seinen Bart, und sie lachten beide. Die Bluse glitt von ihren Schultern und entblößte ihre glatte, braun schimmernde Haut, dann streckte Mary sich neben Sartaj aus. Er beugte sich über sie. Sie legte ihm die Hand in den Nacken und zog ihn zu sich herab.

    Sie lagen unter dem Laken, Haut an Haut, und Sartaj erzählte Mary von seiner Kindheit. Sie wollte alles

Weitere Kostenlose Bücher