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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Geschäftsmannes, der nach langem Auslandsaufenthalt nach Indien zurückkehrte, um geschäftliche Möglichkeiten zu erkunden. Und so saß ich plötzlich hier, in einem Rohrstuhl auf dem Dach eines Hauses namens »Ashiana«. Ich schwitzte mein Hemd durch, doch ich fühlte mich gut. Ich bat um ein Glas Kokoswasser, trank in kleinen Schlucken und genoß diesen typischen Bombayer Gestank, eine Mischung aus Abgasen, Umweltverschmutzung und Sumpfwasser. In meinem Rücken bildete eine Ansammlung von Flachdachhäusern eine Wand, vor mir verlief eine unbefestigte, von Straßenlampen gesäumte Straße, dahinter belaubte Dunkelheit. Ich fühlte mich gestärkt, und die Erschöpfung des Flugs fiel von mir ab, während ich dem Zirpen der Grillen zuhörte. Ein paar Hunde drückten sich an der Straßenecke herum und kläfften sich gegenseitig an. Ich war zufrieden.
    Auf der Treppe gab es ein ziemliches Gepolter, und dann hörte ich das tiefe Surren und Summen eines Rollstuhls. Doch es war nicht Guru-ji, sondern Bunty, der gerade die kleine Stufe zum Dach überwand. Wir hatten ihm einen Rollstuhl genau wie den von Guru-ji besorgt, ungeachtet der Kosten. Es war das mindeste, was wir für ihn tun konnten.
    »Bunty«, sagte ich. »Du Mistkerl. Du führst dich ja auf wie ein Rennfahrer in diesem Ding.«
    »Bhai«, sagte er. »Das ist wirklich ein klasse Teil.«
    Er schien in seinem eigenen Körper verloren, als wäre er in sich selbst hineingeschrumpft. Ich mußte mich hinunterbeugen, um ihn zu umarmen. »Es ist der allerbeste, mein Freund. Bist du die Treppe damit hochgefahren?«
    »Nein, nein, Bhai«, antwortete er lachend. »Ich beherrsche das Ding noch nicht so gut wie unser anderer Freund. Ich habe mich von denen da hochtragen lassen.« Er wies mit dem Daumen auf die drei jungen Kerle, die auf der anderen Seite des Dachs neben der Treppe standen. Im Licht des Treppenaufgangs sah ich ihre Gesichter, und sie waren mir alle neu.
    »Schick sie weg«, sagte ich.
    Er winkte sie fort, und sie zogen sich zurück. »Die erkennen Sie nicht«, sagte er. »Wenn ich Ihnen auf der Straße begegnet wäre, hätte ich Sie auch nicht erkannt.«
    »Topchirurg - hat seine Sache gut gemacht«, sagte ich.
    »Ja. Aber wir müssen vorsichtig sein, Bhai. Nur ein Treffen.«
    »Nur ein Treffen.« So hatten wir es geplant. Ich würde in der Stadt sein, doch in Deckung bleiben. Die Regierung machte sich den MCOCA 413 zunutze, um unsere Jungs ins Gefängnis zu werfen, und die Spezialisten der Polizei fegten sie schneller denn je in Schießereien weg. Es war eine sehr gefährliche Zeit. Meine Company wähnte mich immer noch in Thailand, vielleicht auch in Luxemburg oder Brasilien. Ich würde über unsere abhörsicheren Geräte und über E-Mail mit Bunty kommunizieren. Wir würden nah beieinander sein, doch so tun, als wären wir einander fern. Aber einmal mußten wir uns treffen, wenigstens einmal. Das hatte ich ihm gesagt, ja, ich hatte es befohlen, obwohl es ein Risiko für mich darstellte. Ich hatte ihm gesagt, selbst wenn er nicht nur von der Polizei und Suleiman Isas Leuten überwacht werde, sondern auch noch über Satellit von der CIA, sei mir das ganz egal. Er habe Schüsse für mich bezogen, und ich wolle ihn persönlich sehen. Wir seien schließlich schon lange zusammen. Ich zog meinen Stuhl neben seinen Rollstuhl, so daß wir Schulter an Schulter saßen. »Hier«, sagte ich. »Für dich, Chutiya. Aus dem fernen Belgien. Das ist eine echte Platin-Rolex, mit Diamanten auf Zifferblatt und Armband. Ich habe sie über unsere Freunde hier besorgt, aber sie ist trotzdem noch zweiundzwanzigtausend Dollar wert.«
    »Bhai.« Er hielt sie in seinen gewölbten Händen wie ein geweihtes Götzenbild, das ich von einer Pilgerfahrt mitgebracht hatte. »Zweiundzwanzigtausend US-Dollar. Das ist unglaublich. Es ist so was von mast 404 . Mehr als mast, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
    »Red nicht lang herum, Mistkerl. Zieh sie an.«
    Er streifte die Rolex übers Handgelenk und hielt den Arm vor sich hoch, um sie zu bewundern. In seinem Lächeln lag die Begeisterung eines jungen Mädchens, diese ganz spezielle Freude über unerwarteten Schmuck. Doch er hatte Angst, die Uhr zu zerkratzen, irgendwo anzustoßen und einen der Diamanten zu verlieren. Er legte den Arm auf seine verkümmerten Oberschenkel, hielt ihn vorsichtig im Schoß, während wir uns unterhielten. Wir redeten über Geschäftliches und über seine Familie, über Export und Import, Investitionen und

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