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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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von einer undichten Wand in ihrer Wohnung, aus der Wasser sickerte, obwohl sie zweimal imprägniert worden war, von der Produktion einer Fernsehshow, die ihr angeboten worden, dann aber doch durch die Lappen gegangen war. Ich hörte ihr zu und dachte: Wie gut ich sie doch kenne, und wie gut sie mich kennt. Bei Jojo spielte räumliche Distanz keine Rolle - ob nah oder fern, ich spürte ihre Gegenwart, als säße sie neben mir. Wir waren perfekt aufeinander eingespielt, und wenn wir miteinander sprachen und scherzten, geschah das in einem entspannten Rhythmus, wie wenn ein Junge und ein Mädchen sich auf einer Wippe gegenseitig in die Luft stoßen oder Zirkusakrobaten sich mitten im Flug drehen und einander zielsicher ergreifen.
    Ich war kaum zweieinhalb Kilometer von ihrer Wohnung entfernt, in Luftlinie noch weniger, ich konnte in zehn Minuten bei ihr sein. Ich hätte die Treppe hinaufgehen, bei ihr anklopfen und um eine Tasse Chai bitten können. Doch ich hatte weder den Wunsch noch das Bedürfnis, sie zu sehen. Sie war bei mir, auch wenn sie nicht da war. Ich spürte sie in meinem Innern. Sie war realer für mich, als ich selbst es war. Ich selbst war verblaßt, fast schon zerfallen. Das war tatsächlich so. Es fiel mir schwer, mir das einzugestehen, aber es war so. Was ich Ich nannte, kam mir vor wie eine alte braune Decke, zerschlissen und geflickt, fast durchgewetzt. Ich, der ich einst Ganesh Gaitonde gewesen war, ruhmreich und unversehrt in den Augen aller Welt, hatte mich jetzt selbst verloren. Ich fühlte mich wie ein kleiner Junge, der allein über eine endlose, nur von Bestattungsfeuern erleuchtete Ebene lief, ängstlich und orientierungslos. In diesem aschenen Dunst, in dem ich nicht mehr wußte, was gut oder wünschenswert war, klammerte ich mich an Jojo. Sie war meine Kraft, mein einziges Vergnügen, mein Anker, die einzige Freundschaft in meinem Leben. Ich hörte ihr zu und lachte, und dabei sammelte ich mich innerlich für meine Suchaktion.
    »Gaitonde«, sagte sie, »es klingt, als säßest du an einer Straßenecke in Tardeo. Aber du reist so viel herum, daß auch ich ganz durcheinanderkomme, nicht nur du. Du solltest mal eine Weile an einem Ort bleiben. Selbst wenn es dieses Kala Langur ist.«
    Ich sagte ihr, was sie mit ihrem Kala Langur machen könne, und sie kicherte und erzählte mir dann die Geschichte einer Frau, die im Urlaub nach Nepal gefahren und von einem Bär entführt worden sei, der sich in sie verliebt hatte. »Echt, Gaitonde, das ist wirklich passiert. Bären nehmen oft Menschenfrauen.« Was, glaube ich, ein - wenn auch etwas umständliches - Argument dafür sein sollte, zu Hause zu bleiben. Ich sagte ihr nicht, daß ich nicht an einem Ort bleiben konnte, keine Wahl hatte, reisen mußte. Ich hörte ihr einfach zu und machte mich am nächsten Tag auf den Weg nach Delhi. Dort empfingen mich fünf meiner Jungs, die Stammbesatzung meiner Yacht. Sie waren aus Sydney, Singapur und Mombasa über verschiedene indische Flughäfen eingeflogen und hatten sich in zwei Hotels in Greater Kailash zusammengefunden. Sie würden mein Sonderkommando sein, meine Undercover-Einheit. Buntys Assistent Nikhil war aus Mumbai gekommen, um diesen Trupp anzuführen. Er war nicht eben begeistert darüber gewesen, seine einträglichen Operationen und seine Familie in Mumbai verlassen zu müssen, doch ich hatte darauf bestanden, und so hatte er sein Bündel geschnürt. Er kannte mich gut genug, um nicht zu widersprechen. Mit gerade mal Dreißig bereits völlig kahl, besaß er die unerschütterliche Geduld eines alten Mannes. Er hatte sich um die Details gekümmert: Die Jungs hatten gute Legenden, neue Dokumente, die auf alt getrimmt und verschmuddelt waren, unauffällige Kleidung und ordentliche Haarschnitte. Ich hatte für Waffen und Munition gesorgt -wir waren startklar.
    Wir begannen unsere Suche in Chandigarh. Der Motorradunfall, der Guru-ji zum Krüppel gemacht hatte, war in Pathankot passiert, man hatte ihn ins Krankenhaus von Chandigarh gebracht, und während seiner Genesung hatte er die Stadt liebgewonnen. Hier, in dieser Stadt der breiten Straßen und Kreisverkehre, hatte er seine Eltern untergebracht, und hier hatte er auch seinen ersten Ashram und sein Hauptquartier errichtet. Der Ashram war von Anfang an groß gewesen, doch mittlerweile erstreckte er sich über rund hundert Morgen am Rand des Sektors 43. Wir erreichten Adarsh Nagar am späten Nachmittag, das Licht der untergehenden Sonne auf den

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