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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Singh war verwirrt. Er wollte uns nicht wieder dahaben, doch genausowenig gefiel ihm die Vorstellung, daß sich in diesem Haus, das er bewachte, irgend etwas von mir befinden könnte. Er war ein nettes Scheusal. Ich faßte ihn am Arm. »Ohne meine Brille sehe ich nichts, Yaar. Ich bin halb blind.« Ich drehte ihn zum Tor hin. »Schauen wir doch mal nach.«
    Er war dumm, aber schnell. Chandar erschien rechts neben ihm, und unser Timing war absolut präzise. Wir hatten diese Nummer in den letzten Wochen so oft abgezogen, daß wir perfekt aufeinander eingespielt waren. Ich redete mit dem Betreffenden und lenkte ihn ab, so daß Chandar ihm seinen eisernen, mit Leder überzogenen Totschläger von hinten über den Schädel ziehen konnte. Doch Kirpal Singh ahnte etwas, zuckte zurück und wandte sich um. Der Schlag traf seitlich am Kopf und riß ihm das rechte Ohr halb ab. Doch er kämpfte wie ein Dämon. Wir waren zu fünft gegen ihn allein, doch er machte uns schwer zu schaffen. Er brach Chandar drei Finger und schleuderte Nikhil mit einem einzigen Hieb, der ihm die Nase brach und ihn fast außer Gefecht setzte, nach hinten. Jatti lag auf dem Boden und umklammerte ächzend und hustend seinen Hals. Auch ich fand mich auf der Straße wieder, atemlos und mit schmerzendem Unterleib. Ich kroch ein Stück von dem Knäuel keuchender Gestalten weg und zog meine Pistole, doch die Schußbahn war nicht frei. Und dann stürzte sich Kirpal Singh auf mich. Ich hatte gerade noch Zeit abzudrücken, der Schuß traf ihn am Schlüsselbein und lenkte ihn mitten im Sprung ein wenig ab. Er hielt sich an mir fest, und sein Mund stand weit offen, tiefrot und gräßlich. Ich spürte, wie weitere Schüsse in seinen Körper eindrangen, wie seine Muskeln vibrierten. Schließlich lag er mit seinem ganzen Gewicht auf mir.
    Die anderen zogen ihn weg, und ich rappelte mich hoch. »Wie viele Schüsse?« fragte ich.
    Jattis Atem ging pfeifend, und sein Gesicht war tränenüberströmt. »Dieser Gaandu war wohl mal bei irgendeiner Spezialeinheit.«
    »Vier Schüsse, Bhai«, sagte Nikhil. Sein weißes Hemd war bis zur Hüfte mit Blut aus seiner gebrochenen Nase verschmiert.
    Vier Schüsse, das war viel, andererseits war es ein großer Hof. Vielleicht hatte uns keiner gehört. Vielleicht würde keiner reagieren. »Jatti«, knurrte ich, »geh ins Haus, und sorg dafür, daß der Alte das Maul hält.«
    »Bhenchod«, fluchte Jatti und riß die Augen auf. Er rannte zum Haus.
    Wir anderen packten Kirpal Singh und schleiften ihn durchs Tor. Es war äußerst mühsam, denn wir waren alle durch unsere Verletzungen geschwächt.
    »Halt durch, Beta«, sagte ich zu Chandar, dessen gebrochene Knochen mit jedem Schritt schmerzhaft erschüttert wurden. »Es dauert nicht mehr lange.« Wir ließen die Leiche neben dem Kuhstall fallen. Ich befahl Chandar, die Blutspuren auf der Straße mit Schotter zu bedecken und danach am Tor Wache zu halten. Wir anderen wandten uns der Durchsuchung des Hauses zu. Jatti hatte Jagat Narain im Innenhof gefunden, wo er an der Pumpe unbekümmert Geschirr spülte. Er mußte die Schüsse gehört haben, doch sie hatten ihn offenbar nicht sonderlich beeindruckt. Wir schlössen ihn in einem der leeren Zimmer ein, dann machten wir uns auf die Suche.
    Ich sagte den Jungs, wir müßten dem Strom nachgehen. Wir folgten den Leitungen, die von dem Mast auf dem Dach ausgingen und, in der Wand verlegt, zu dem Verteilerkasten im Erdgeschoß führten. Dieser Verteilerkasten befand sich in einem eigenen kleinen Raum hinten im Haus, der mit zwei Stahlschlössern gesichert war. Wir mußten Jagat Narain aus seiner Zelle holen, damit er uns die Schlüssel für diese Schlösser gab. Inzwischen begriff er, daß er Grund hatte, sich zu fürchten. Er war kooperativ und leistete keinen Widerstand, doch seine Hände zitterten, und er flüsterte: »Wo ist Barjinder? Laßt Barjinder nicht zurück.«
    »Wer ist Barjinder, Kaka?« fragte Nikhil und tätschelte ihm die Schulter. »Was reden Sie da?«
    Jagat Narain schüttelte den Kopf. »Wir müssen irgendwie nach Amritsar«, sagte er. »Unser Haus ist abgebrannt. Wir müssen nach Amritsar.« Noch als Nikhil die Tür wieder hinter ihm abschloß, wiederholte er diese Worte.
    Auch ich zitterte ein wenig, als wir nun erneut in die Dämmerung hinaustraten, wo die Vögel ein Höllenspektakel veranstalteten. Ich war völlig überdreht. Ich wußte, daß ich auf eine heiße Spur gestoßen war, was sich bestätigte, als wir die Tür

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