Der Pate von Bombay
Ich will nicht hier sein.«
»Versuch es wenigstens für ein paar Stunden.«
»Ich weiß schon jetzt, was ich will. Ich muß hier raus.«
»Warum?«
»Weil ich hier durchdrehe. Und das wird nicht besser, sondern nur immer schlimmer.«
»Wir können alles hier unten verändern, wir können runterholen, was immer du willst.«
Sie schrie. Ihr ganzer Körper krampfte sich zum Mittelpunkt hin zusammen, sie beugte sich vor, und ein langes, rasendes Geheul stieg aus ihr auf, das mich hochfahren ließ. »Sei still«, befahl ich. Doch ihre Augen waren wäßrig und ausdruckslos, sie holte tief Luft und stieß dann abermals diesen gequälten Schrei aus, der mir ins Gesicht fuhr wie eine Ohrfeige.
Ich packte sie an den Schultern und schüttelte sie. Sie wehrte sich, wand sich in meinen Armen und stieß mir ihre scharfen Ellbogen in die Rippen. Ich spürte einen brennenden Schmerz an meinem Kinn, ließ sie los und faßte mir an die schmerzende Stelle. Meine Finger wurden glitschig und rosa. Diese bhenchod Kutiya hatte richtige Krallen.
Ihre Hände beschrieben Kreise vor ihrer Brust. »Kapierst du das nicht? Ich kann hier nicht bleiben. Ich kann nicht. Ich muß raus. Du kannst mich hier nicht gefangenhalten.«
»Aber begreifst du denn gar nichts? Da oben wirst du sterben.«
»Na und? Ich sterbe lieber, als in diesem Loch zu bleiben.«
Ich wandte mich angewidert ab. »Das ist vollkommener Blödsinn. Du bist momentan nicht zurechnungsfähig. Du weißt, daß das nicht stimmt. Du willst nicht sterben.«
Sie kam mir nach. »Soll ich dir die Wahrheit sagen, Gaitonde? Du bist ein Feigling. Früher hast du mal was dargestellt, da warst du ein Mann, aber jetzt bist du nur noch ein angstschlotternder kleiner Irrer, der sich in einem dunklen Loch versteckt.« Sie stand direkt hinter mir, und ich spürte ihren säuerlichen Atem auf meiner Schulter, roch ihre Panik.
Ich drehte mich um und schlug ihr dabei mit dem Handrücken ins Gesicht. Es war ein heftiger Hieb, ihre Zähne schlugen aufeinander, und sie taumelte nach hinten. »Ah«, stöhnte sie. »Ah.« Blut strömte aus ihrer Nase.
»Randi.« Sie wankte durch den Raum, und ich folgte ihr. »Du findest also, ich bin kein Mann? Soll ich dir zeigen, daß ich ein Mann bin? Na komm schon, komm her, ich zeig es dir. Wer schlottert jetzt vor Angst, hm? Wer zittert am ganzen Leib?«
Ihre Zähne leuchteten weiß durch das verschmierte dunkle Blut. »Du? Du bist kein Mann.« Sie bot mir die Stirn, spie mir ihr Gelächter ins Gesicht. »Du hast Frauen gekauft und hältst dich deshalb für einen großen Helden. Aber keine von ihnen hat dich gemocht, du Dreckskerl. Ohne deine Kohle hätte dich keine auch nur in ihre Nähe gelassen.«
»Bas«, warnte ich sie. »Es reicht. Halt den Mund. Und kapier endlich, daß ich versuche, dir zu helfen. Ich versuche, dein Leben zu retten.«
»Sie haben dich ausgelacht, Gaandu. Sie haben sich zusammen darüber lustig gemacht, was für eine jämmerliche, schwache kleine Ratte du bist. Du meinst, du könntest vor einer Frau wie Zoya bestehen? Sie hat uns erzählt, daß sie keine einzige tolle Nacht im Bett mit dir verbracht hat.«
»Das ist eine Lüge. Zoya mochte mich.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen. »Zoya mochte mich«, krähte sie. »Zoya mochte mich.« Sie beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie. »Zoya mochte mich.« Blut tropfte auf den Boden, aber sie amüsierte sich köstlich. »Zoya mochte mich .«
»Das stimmt.« Die Stimme, die aus meiner Kehle aufstieg, war mir fremd, sie klang dünn und verloren. »Das hat sie mir in unserer ersten Nacht gesagt. Sie hat gesagt, ich wäre unglaublich. Wirklich. Wir haben es die ganze Nacht getrieben. Das ist die reine Wahrheit.«
»Gaitonde, du Idiot.« Jetzt triumphierte sie. »Du bist wirklich ein Trottel. Sie hat dich zum Chutiya gemacht. Das lag nicht an dir, du Simpel. Sie hat dir ein Glas Milch mit Mandeln gegeben. Und da hat sie eine zerdrückte Viagra reingerührt, eine ganze blaue Tablette. Sie wollte dir erst zwei geben, aber ich hatte Angst, daß dich das umbringen würde. Ich habe zu ihr gesagt, es ist okay, daß du vorwärtskommen willst, daß du zum Mond fliegen willst, ich verstehe das, aber mach nicht die Rakete kaputt, die dich da hochbringen soll. Und es hat funktioniert. Das warst nicht du, Saala. Es war das Viagra.«
Wut schob sich vor meine Augen, ein bläulicher Dunst. Durch ihn sah ich, wie Jojo aufrecht dastand und lachte. Sie hatte keine
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