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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Laken. Unter den rollenden Rädern stieg ein Lied auf, das sie am Nachmittag gehört hatten. Was war es? Ein Kishore-Kumar-Song? Die Melodie hatte er im Kopf, aber wie ging der Text? Er zog sich das Laken bis zum Kinn hoch, summte ganz leise die Melodie und versuchte sich zu erinnern.

    Mary wollte Sartaj Matsch ins Gesicht schmieren. »Das ist kein Matsch«, sagte sie entrüstet, aber es sah genauso aus, Matsch in einem rosa Töpfchen.
    »Doch. Du bist runtergegangen und hast es unter einer Pflanze ausgegraben.« Sie saßen einander gegenüber auf seinem Bett. Mary war zum ersten Mal in seiner Wohnung, und er hatte den ganzen Nachmittag aufgeräumt und den Staub weggewischt, der sich während seiner Reise nach Amritsar abgesetzt hatte. Um halb sieben war sie, mit einem kleinen blauen Rucksack über der Schulter, angekommen. Er hatte sie damit aufgezogen, wie jung sie aussah, wie eine schicke Collegestudentin, und dann hatten sie sich geliebt. Danach hatte er ihr von der Reise erzählt und davon, wie schmutzig er sich gefühlt hatte, obwohl sie die ganze Strecke erster Klasse gefahren waren. Da war sie vom Bett gesprungen, hatte in ihrem Rucksack gekramt und das Matschtöpfchen hervorgeholt.
    »Das ist eine sündhaft teure Gesichtscreme, Sartaj«, sagte sie. »Du glaubst gar nicht, wieviel bei uns im Salon dafür bezahlt wird. Da sind Fruchtextrakte und Essenzen drin. Das regeneriert die Haut und entfernt alle Unreinheiten von der Zugfahrt, die ganzen Schmutz- und Staubpartikel. Wie Multani mitti 432 , nur besser.« Sie setzte sich rittlings auf seine Schenkel. Sie hatte sich ein Tuch um die Hüften geschlungen, und ihr Haar fiel auf ihre nackten Schultern herab. »Are, nicht bewegen, Baba.« Sie tauchte zwei Finger in das Töpfchen und verstrich die Creme auf seiner Stirn. Es fühlte sich kühl an, kühl und glatt. »Zieh deine Haare zurück.«
    Sie arbeitete langsam und sorgfältig, die Zungenspitze zwischen den Zähnen. Er reckte sich zu ihr hoch, und sie lachte und ließ sich von ihm küssen, aber nur einen Moment lang, dann drückte sie den Handballen gegen seine Schulter und schob ihn weg. Er lehnte sich an ein Kissen und betrachtete ihre Augen, die Schatten auf ihrer braunen Haut. Kleine Falten durchzogen ihre Lippen, und er musterte ihre geschwungenen Wimpern. Als sie fertig war, nickte sie zufrieden, und er nahm ihr das Töpfchen aus der Hand und verstrich einen Klecks von der Creme auf ihrem Wangenknochen. Die Creme war rot und weicher als Matsch, von sehr gleichmäßiger, feinkörniger Konsistenz, und sie ließ sich gut verreiben. Er bestrich ihr Gesicht damit, von oben nach unten. Am Hals angelangt, legte er den Kopf zurück und betrachtete sie, voller Erstaunen, denn was er da sah, war Mary und doch wieder nicht Mary. Unter der roten Maske erkannte er zwar ihre Züge, zugleich aber war ihr Gesicht starr, undurchdringlich und fremd. »Du siehst gar nicht aus wie du«, sagte er.
    Sie nickte. »Das muß jetzt erst mal trocknen. Fünfzehn bis zwanzig Minuten.« Er spürte schon das Ziehen der Tonerde auf seiner Haut.
    Und so blieben sie sitzen, ihre Hände auf seiner Brust, seine um ihre Taille. Das Rot wurde heller und bekam Risse. Es war, als betrachtete man eine alte steinerne Statue, nur die Augen strahlten hell daraus hervor. Irgendwie war es beunruhigend, diese Abstraktion Marys zu sehen, die sie zu etwas anderem, etwas Unpersönlichem machte, und so wandte er den Blick ab und schaute über ihre Schulter. Seine Schranktür stand offen, und in dem Spiegel, den er vor langer Zeit daran befestigt hatte, um morgens vor dem Weggehen sein Äußeres zu überprüfen, sah er sich und Mary, zwei symmetrische Silhouetten, und einen Teil seines Gesichts, die roten Wangen über Marys offen herabfließendem Haar. Ein Fremder blickte ihn an, so fremd wie sie. Er atmete tief ein und wandte sich wieder Mary zu, ganz ruhig, und er zog sie eng an sich.
    Ihre Atemzüge wirbelten durch die Stille, lauter als der Straßenlärm draußen, und das Gezwitscher der Vögel fiel leise mit ein. Die Behandlung werde Sartajs Haut regenerieren, hatte Mary gesagt, und seine Haut spannte auch zunehmend, aber die Wirkung schien tiefer zu gehen. Mary war hier bei ihm, und weder das Glück noch der Schmerz, die ihn erwarten mochten, machten ihm angst. Er fühlte sich neu belebt, wie befreit. Warum das so war, wußte er nicht, und es kümmerte ihn auch nicht. Es genügte, lebendig zu sein.
    »Jetzt ist es getrocknet«, sagte Mary. »Wir

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