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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Heirat, vor Rohits Geburt, war er viele Male untreu gewesen. Rückblickend erschien ihm diese Zeit wie ein Fieberwahn, diese Besuche in Tanzbars, das Geld, das er für Mädchen ausgegeben hatte, für schmutzige Zimmer, nächtliche Taxifahrten. Shalini war selbst noch kaum mehr als ein Mädchen gewesen, und nachts hatte er den Kopf in ihre Halsbeuge gesenkt und in ihren Händen, die seine Schultern umklammerten, einen ähnlichen Hunger gespürt wie seinen, vorsichtiger und stiller, aber ebenso beharrlich, ebenso heftig. Und trotzdem war er zu anderen Frauen gegangen, zu Randis. Es hatte keinen anderen Grund dafür gegeben als den Drang, den er verspürte, wenn sich ihm fremde, anonyme Haut unter billigem, durchsichtigem Nylon darbot. Es war eine Art allgemeiner Wahn, von den Männern der Welt akzeptiert, doch wenigstens war er - selbst in jenen längst vergangenen Tagen, als seine Vorsicht die Mädchen noch erstaunte - vernünftig und kundig genug gewesen, um stets Kondome zu benutzen. Nach Rohits Geburt, nachdem er den winzigen Körper seines Sohnes in den Armen gehalten und das mächtige, unausweichliche Gewicht seiner eigenen Liebe gespürt hatte, war es ihm nahezu unmöglich geworden, sein schwer verdientes Geld anderswo auszugeben. Es gab neue Zwänge, hinter denen die Wünsche zurücktraten: Schuluniformen, Bücher, Schuhe, Haaröl, Kricketschläger, Abende am Chowpatty 127 . Aber selbst als er schon wußte, welch kindliches Glück ein Zwanzig-Rupien-Schein oder zwei Kulfis 350 bei Sonnenuntergang am ruhigen Meer bedeuten konnten, war er noch zu anderen Frauen gegangen, trotz seiner beiden Söhne, dieser zweifachen Zukunft, die er schuf. Doch es geschah nur noch selten, an den Fingern einer Hand in doppelt so vielen Jahren abzuzählen. Männer, sagte Shalini manchmal, in Männern steckt Wahnsinn. Er schwieg dazu, hätte aber gern gesagt, daß der Wahnsinn in ihren Knochen stecke, nicht im Herzen, nicht im Kopf. Logik versagt nicht, sie ermüdet nur manchmal ein wenig und möchte sich niederlegen. Aber ich gebe mir Mühe für dich.
    Auf dem Maidan 388 waren ein Dutzend Kricketmatches im Gange. Die Pitches lagen im rechten Winkel zueinander dicht beisammen. Feldspieler verschiedener Mannschaften liefen aneinander vorbei und hintereinanderher. Es mußten mehrere hundert Jungen sein, die auf diesem schmalen Streifen aus festgestampfter gelber Erde zwischen einem schlammigen Flußbett und der Rückwand eines öffentlichen Verbrennungsplatzes herumrannten. Katekar ging an der Mauer entlang und streifte mit der Schulter verschlungene Graffiti und zerrissene Plakate. Manchmal beunruhigte es ihn, daß nur eine Wand die spielenden Kinder von den brennenden Leichen trennte, daß der in Schwaden aufsteigende Rauch unreine Asche auf die Pitches streute. Aber irgendwo mußten die Toten nun einmal verbrannt werden, und die einzige Alternative wäre ein Gelände am Rand des Basti gewesen, direkt neben dem vorbeifließenden Verkehr. Heute brannten keine Feuer, kein Rauch stieg auf. Keine Toten mehr an diesem Tag. Mohit saß neben einem Haufen Chappals 107 auf einem kleinen Hügel. Er schaute aufs Meer hinaus, verträumt und glücklich, und Katekar spürte, wie sich in seiner Brust etwas zusammenzog und wieder löste. Rohit war ganz der Sohn seines Vaters, selbstbewußt, praktisch und oft lustig; der nachdenkliche, in sich gekehrte Mohit aber machte Katekar hilflos vor Sorge. Rohit mit seinem Ehrgeiz und seinem aufbrausenden Temperament mochte sich Schwierigkeiten einhandeln, aber was würde aus dem sensiblen kleinen Mohit werden? Wohin würde ihn sein sanftes Wesen führen? Katekar kauerte sich neben ihm nieder.
    »Du spielst nicht mit?« fragte er.
    »Papa.« Mohit wandte den Blick ab und begann an seiner Unterlippe zu nagen, wie immer, wenn er verlegen war.
    »Schon gut.« Katekar klopfte ihm auf die Schulter. Er hatte seinen Söhnen oft gesagt, daß Sport den Charakter bilde. »Hattest du keine Lust?«
    Mohit schüttelte heftig den Kopf. Woran hast du eben gedacht, hätte Katekar ihn gern gefragt. Was hast du gesehen in dem Stückchen Horizont über dem Meer zwischen den Häusern? Doch er lächelte nur und strich ihm über den Kopf. »Wo ist dein Bruder?«
    »Da.«
    Rohit bowlte. Es war ein schneller Ball, etwas wild, aber mit gutem Tempo. Der Batsman verfehlte ihn, sah ihn kaum, und der Wicket-Keeper schickte ihn im selben Schwung zu Rohit zurück. Rohit lief zum Wicket, leichtfüßig und in Gedanken schon beim nächsten

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