Der Pate von Bombay
der Zungenspitze die letzten Tropfen auf. Er schien hocherfreut. »Wie viele es waren, spielt keine Rolle, Sartaj-saab«, sagte er und richtete sich kerzengerade auf. »Hauptsache, die Bösen sind geschnappt worden.« Er drohte mit dem Finger. »Ich muß mir noch ein Gläschen holen, Boß.« Und summend ging er davon.
Während der Razzia mußte Sartaj wieder an Kambles Triumph denken. Kamble hatte recht, die Bösen waren geschnappt worden. Er hatte einen guten Teil des Geldes aus der Tasche für sich abgezweigt, etwa die Hälfte vermutlich, und dazu ein paar Handys. Das Geld war die Belohnung für seine hervorragende Polizeiarbeit, seine Wachsamkeit und Risikobereitschaft. Er hatte gute Arbeit geleistet, und jetzt feierte er. Er hatte es verdient.
Die Razzia im Delite verlief sehr geordnet. Die fünf Mädchen, die verhaftet werden sollten, saßen abwartend in Shambhus Büro. Sie aßen Paya und rissen Witze über Polizisten und deren Schlagstöcke, und die anderen gingen nach draußen, um mit ihren üblichen Taxis nach Hause zu fahren. Es war ein grelles, glitzerndes Grüppchen, die meisten jung, einige sehr hübsch in ihrer Großleinwand-Aufmachung, voll Stolz auf ihre schlanken, geschmeidigen Taillen.
Shambhu steuerte auf Sartaj zu, in ein paar Metern Abstand folgte Kamble. Die beiden waren Freunde, etwa gleich alt, beide Bodybuilder, doch wo Shambhu schlank war, mit feinen Zügen, hatte Kamble Polster, Rundungen und Wülste.
»Okay, Saab«, sagte Shambhu, »es kann losgehen.«
Eine der beiden Polizistinnen stand neben dem Transporter, die andere öffnete die Eingangstür des Delite und rief etwas hinein. Die Festgenommenen kamen herausmarschiert, schwangen sich hinten in den Transporter, ihre schicken Stöckelschuhe glitzerten im roten Neonlicht des Delite-Schildes.
»Was ist mit Ihrem Spaziergang?« wandte sich Katekar an Shambhu.
»Sie meinen die Expedition. Einen Spaziergang macht man zum Paan-Laden an der Ecke.«
»Die Expedition, ja, wann geht's los?«
»Morgen.«
»Fallen Sie nur nicht von den Bergen runter.«
»Da oben ist man sicherer als hier, Yaar.«
Sartaj beobachtete Kamble. Er stand mit abgespreizten Ellbogen aufrecht da und summte vor sich hin. Sartaj ging um ihn herum. »Sagen Sie dem jungen Polizisten, er hat seine Sache gut gemacht.«
Kamble grinste. »Mach ich, Boß.« Er summte weiter, und Sartaj erkannte den Song: Kya se kya ho gaya, dekhte dekhte. Kamble reckte die Arme hoch und machte mit eingezogenem Kopf ein paar Tanzschritte. Tum pe dil aa gaya, dekhte dekhte.
»Wir fahren los«, sagte Sartaj. »Kommen Sie mit?«
»Nein.« Kamble wies mit dem Kopf auf das Delite. »Ich hab eine Verabredung.«
Nicht alle Mädchen im Delite waren verhaftet worden oder nach Hause gefahren. »Viel Spaß«, sagte Sartaj.
»Hab ich immer, Boß.«
Sartaj klopfte an die Wand des Transporters, und sie fuhren los.
»Sartaj-saab«, rief Shambhu ihnen nach. »Sie könnten auch Ihren Spaß haben. Sie sollten sich ab und zu mal amüsieren. Spaß tut gut.«
Sartaj hörte Kamble lachen.
Erst auf dem Revier merkten sie, daß sie nicht fünf, sondern sechs Tänzerinnen festgenommen hatten. Die Mädchen saßen nebeneinander auf einer Bank im Verhörraum, die sechste war Manika. Sie schaute Sartaj mit gesenktem Kopf unter ihrem Chunni 130 hervor schüchtern an, ein scheues Reh mit riesigen schwarzen Augen, und die anderen Mädchen platzten los. Sartaj holte tief Luft und ging hinaus.
»Das scheint Kambles und Shambhus Vorstellung von Spaß zu sein«, sagte er zu Katekar.
»Ich hatte nichts damit zu tun, Sir.«
Katekars Miene war völlig ernst, und Sartaj glaubte ihm. »Schicken Sie die Mädchen eine nach der anderen rein. Ich setze mich hierhin.«
»Jawohl, Sir, eine nach der anderen.«
Katekar stellte sich an die Tür, und die Polizistinnen führten die Mädchen nacheinander herein und zogen sich dann ebenfalls an die Tür zurück. Sartaj notierte ihre Namen: Sunita Singh, Anita Pawar, Rekha Kumar, Neena Sanu, Shilpa Chawla. Sie hatten die Namen sofort parat und waren locker und entspannt, nicht im geringsten eingeschüchtert. Erst als er die Fotos aus Gaitondes Album hervorholte und sie ihnen eines nach dem anderen zeigte, zögerten sie und schüttelten die Köpfe, entschieden und mit ausdrucksloser Miene. »Nein, nein, nein«, sagte Shilpa Chawla, als er ihr die Bilder der jungen Frauen zeigte, ihre verführerischen Posen im weichen Licht.
»Schauen Sie die Fotos erst mal an, bevor Sie nein
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