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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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bekommen, und jetzt unterhielt Pawar zwei Haushalte. Er und Arpana wollten sich nicht trennen, wollten weder aufeinander zu- noch auseinandergehen, und so stritten sie immer weiter. Für die Nachbarn war die andere nach wie vor die andere, Arpana hatte sie in elf Jahren nicht ein einziges Mal beim Namen genannt, und Pawar redete nie von ihr.
    Katekar und Shalini setzten sich einander gegenüber und tranken Tee. Zwischen ihnen stand ein Teller mit den Kaandepohe, den scharf gewürzten Keksen aus Reisflocken mit Zwiebeln, die Katekar so mochte.
    »Ich habe gestern mit Bharti gesprochen.«
    Bharti war Shalinis jüngere Schwester. Sie war mit einem Schrotthändler in Kurla verheiratet. Schrott brachte offenbar viel Geld, denn Bharti trug bei jedem ihrer Besuche einen neuen Sari. Letztes Jahr war sie am Tag vor Gudi-Padwa 246 mit neuen, besonders dicken goldenen Armreifen erschienen und hatte nicht nur Batasha-Girlanden 065 und frisches Chutney mitgebracht, sondern auch große, duftende Schachteln mit Puranpoli und Chirote 120 für die Jungen. Katekar hatte seine Söhne beobachtet, wie sie sich die klebrig-süßen Finger leckten, und er hatte das Gesicht seiner Frau beobachtet, als sie die Schachteln und den Sari, den Bharti ihr mitgebracht hatte, wegräumte. Er hatte gestaunt, was für eine subtile Waffe Großzügigkeit sein konnte, besonders unter Schwestern. Er nahm einen großen Schluck Tee.
    »Ja?« sagte er.
    »Sie kaufen das Kholi neben ihrem dazu«, sagte Shalini.
    »Im Chawl 114 ?«
    »Wo sonst?« Die Antwort kam schnell und scharf, und Shalini hielt seinem fragenden Blick stand. Ihre Schwester und ihr Schwager würden nun also Wände einreißen, Räume verbinden, eine Wohnung haben, die groß genug war für ihr Selbstgefühl.
    »Sie haben drei Kinder«, sagte Katekar. »Sie brauchen Platz.«
    Shalini schnaubte und nahm den Teller mit den Keksen. »Wieso? Müssen diese kleinen Taporis denn in einem Palast wohnen?« Sie stand auf, sammelte die Löffel ein und klapperte mit der Teekanne. »Bharti war schon als Kind eine Verschwenderin. Die beiden denken nie an die Zukunft. Es wird kein gutes Ende nehmen mit den Kindern, du wirst sehen.«
    Sie liebte ihre Nichten und Neffen, das wußte Katekar, sie überschüttete sie mit Liebkosungen und ging lockerer mit ihnen um als mit ihren eigenen Söhnen. Bis Katekar Hemd und Hose angezogen hatte, war die Teekanne schon gespült und aufgehängt. Er grinste Shalini an. »Ich hab gestern einen Witz gehört«, sagte er.
    »Was für einen?«
    »Laalo Prasad Yadav 358 669 trifft ein paar japanische Geschäftsleute, die nach Bihar gekommen sind. Die japanischen Geschäftsleute sagen zu ihm: ›Ministerpräsident-ji, Ihr Staat hat wertvolle Ressourcen. Lassen Sie uns drei Jahre freie Hand, und wir machen aus Bihar das neue Japan.‹ Laalo schaut ganz verwundert drein und sagt: ›Und ihr Japaner wollt so effizient sein! Drei Jahre? Laßt mir drei Tage freie Hand, und ich mache aus Japan das neue Bihar.‹«
    »Nicht sehr komisch.« Aber Shalini lächelte.
    »Are«, sagte Katekar, »deine Familie hatte noch nie Sinn für Humor.«
    Das war ein Thema, das sie seit Jahren beschäftigte: Katekars Familie war verschwenderisch, aber lebenslustig, Shalinis sparsam, aber langweilig. Varianten dieser Theorie verkörperten die Jungen: Rohit kam mehr nach Katekar, Mohit nach seiner Mutter. Shalini dachte an ihre Söhne. »Wirst du früh genug fertig, um noch bei Patil vorbeizuschauen?«
    Patil war der Schneider zwei Straßen weiter. Er hatte seine Werkstatt, einen langen, schmalen Raum, auf den Resten einer Mauer über einem stillgelegten Abflußkanal errichtet. Er hatte den Kanal aufgefüllt, eine Rückwand eingezogen und ein Dach daraufgesetzt, und jetzt saßen dort zwei Vollzeitschneider an ihren Nähmaschinen. Er nähte Schuluniformen für die Jungen, gute Uniformen, so haltbar, daß Mohit sie noch tragen konnte, wenn Rohit herausgewachsen war.
    »Heute nicht«, sagte Katekar. »Ich hol sie morgen ab. Shorts und ein Hemd, ja?«
    »Ja.« Shalinis Ärger war verflogen. Sie freute sich, daß er es noch wußte, das sah er ihr an.
    Die Wolken bildeten üppige orangefarbene Schichten. Es war noch zu früh für den Regen, aber Katekar spürte ihn schon, als er zur Bushaltestelle ging. Der Himmel bot ein grandioses Schauspiel, doch kaum jemand blieb stehen, um es zu betrachten. Katekar ging schnell und nahm eine Abkürzung über den Spielplatz. Er dachte an Sex. In den ersten Jahren nach seiner

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