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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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läuft«, sagte er. »Man kann nicht einfach herkommen und sich wie ein Chutiya aufführen, sonst liegt man ziemlich schnell mit einer Kugel im Kopf auf der Straße.«
    »Ja, Anil-bhai«, sagte ich. »Er hat vollkommen recht, Badriya«, fügte ich hinzu. »Wir müssen auf Anil-bhai hören.«
    Anil Kurup blies sich auf wie eine onkelhafte Kröte. »Are, bringt uns ein paar Bhajiyas!« sagte er. »Und ein paar Eier dazu.«
    Zwei seiner Jungs nahmen Haltung an und eilten dann hinaus. Es blieb also noch einer, der an der Wand zu meiner Rechten lehnte.
    »Bhai, ich würde Sie gern in einer Sache um Rat fragen«, sagte ich.
    »Nur zu, nur zu.«
    »Es geht um die Stadtverwaltung und das Wasser.« Ich kratzte mich an der Nase.
    In diesem Moment stieß Chhota Badriya sein Bier vom Tisch. »Maderchod«, sagte er und bückte sich. Blitzartig schoß er wieder hoch und beugte sich vor, sein Arm sauste schneller, als man sehen konnte, über den Tisch, und im nächsten Moment ragte Anil Kurup, der auf seinem Stuhl schwankte, ein Holzgriff aus dem rechten Auge.
    Ich hatte eine Flasche in der Hand, die ich jetzt dem Mann zu meiner Rechten ins Gesicht schlug. Er schrie auf und suchte Halt, ich ging an ihm vorbei, knallte die Tür zu, schob den Riegel vor und lehnte mich mit der Schulter gegen das Holz. Ich wußte, daß Anil Kurups Jungs keine Schußwaffen hatten und da unsere Ghodas nicht geladen waren, mußten wir nicht befürchten, daß sie eine Kugel durch die Tür jagen würden, gegen die sie jetzt schlugen und polterten.
    »Halt!« schrie ich. »Halt! Prashant. Vinod. Amar. Er ist tot. Anil Kurup ist tot. Und meine Jungs sind draußen, ihr könnt uns zwar umbringen, aber dann werden sie euch allesamt erledigen. Ich kenne eure Namen, und meine Jungs wissen, wer ihr seid. Uns könnt ihr kriegen, aber dann werden sie euch fertigmachen. Amar, denk einen Augenblick darüber nach. Er ist tot.«
    Anil Kurup war tatsächlich tot; Blut sickerte ihm über die Wange. Nachdem seine Jungs unsere Pistolen gefunden hatten, hatten sie nicht weitergesucht, und so war Chhota Badriyas Eispickel, ein langer Dorn mit quersitzendem Griff, den er mit weißem Heftpflaster an der Innenseite seines linken Beins unter der Hose befestigt hatte, unentdeckt geblieben. Er war einfach zu stark, dieser Chhota Badriya, er hatte Anil Kurup das Ding voll ins Auge gerammt, mit geballter Kraft. Er war unglaublich schnell, sie hätten gar nichts dagegen tun können. Erst jetzt, da Anil Kurup tot war, hätten sie versuchen können, uns zu töten. Aber ich brachte sie davon ab. Ich sagte ihnen, daß ich sie reich machen würde, daß Anil Kurup ein Scheißkerl gewesen sei, der sie seit Jahren ausgenommen und betrogen habe, und daß es Wahnsinn wäre, jetzt, wo er ohnehin tot sei, für ihn zu sterben. Genau das nämlich werde passieren, wenn sie uns etwas antäten, meine Jungs seien darauf eingeschworen, mich zu rächen. Sie sollten nur mal rausschauen - und wirklich, da standen sie, sechs meiner Jungs in einer Reihe auf der Straße.
    Wir kamen lebendig dort heraus, Chhota Badriya und ich, mit unseren Pistolen unterm Hemd. »Was für eine Rede Sie denen gehalten haben, Ganesh-bhai«, sagte Chhota Badriya, als wir Gopalmath hinter uns gelassen hatten. Und dann mußte er lachen, er blieb mitten auf dem Weg stehen, senkte den Kopf, stützte die Hände auf die Knie und lachte. Ich klopfte ihm grinsend auf den Rücken. Wir hatten es geschafft. Wir hatten es tatsächlich geschafft, Sardar-ji. Fragen Sie irgend jemanden auf der Straße nach der Geschichte von Ganesh Gaitonde, sie wird immer in dieser Dhaba in Gopalmath beginnen. Es ist schon so oft erzählt worden, wie ich Anil Kurup umgebracht habe, daß man es nicht mehr für wahr hält, das weiß ich wohl. In fünf verschiedenen Filmen haben sie die Story verbraten, und im letzten habe ich - also, die Figur, die auf mir basiert - es mit einer kleinen Pistole getan, die an meinem Fußgelenk befestigt war. In Wirklichkeit jedoch hat es sich so abgespielt, wie ich es beschrieben habe.

    Die Neuigkeit von meinem Sieg über Anil Kurup breitete sich aus wie ein Lauffeuer, und bald kamen die Leute zu mir, damit ich Streitigkeiten schlichtete, ihnen Arbeit verschaffte, sie beschützte, ihnen im Umgang mit Polizei und Stadtverwaltung half. Mein Kampf gegen Anil Kurup war kurz und entscheidend gewesen, und erst im nachhinein wurde mir klar, daß er nicht nur wegen meiner Gebietsansprüche, sondern auch zu meiner Legitimation notwendig

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