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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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würden, wenn ich ihr half; diese Diwali-Nacht war golden. Jemand hatte für Musik gesorgt - »jab tak hai jaan 279 jaan-e-jahaan« dudelte es aus einem Kassettenrecorder -, von draußen drang das Geknall der Bomben und Kracher zu uns, und wir, wir spielten. Der Kreis der Spieler vergrößerte sich allmählich, Paritosh Shah erzählte Witze, bis sich Inspektor Samant zu uns gesellte und uns zeigte, wie man Paplu 475 spielt. Kanta Bais Pallu glitt ihr von der Schulter, und sie brüllte vor Lachen über Chhota Badriya, der schüchtern das Gesicht abwandte angesichts ihrer üppigen Reize, unentwegt sausten die Karten nieder, und ich verlor und verlor.
    Ich erwachte unter einem Laken, das auf der Matratze gelegen hatte. Offensichtlich hatte ich es nachts wegen des sirrenden Tischventilators, der auf die höchste Stufe gestellt war, über mich gezogen. Außer mir war niemand im Zimmer, das von Zigarettenstummeln, verschmierten Tellern und leeren Gläsern übersät war. Ich stand auf, und ein dumpfer Schmerz stieg mir vom Nacken in den Kopf. Vergeblich sah ich mich nach meinen Chappals um und ging dann barfuß nach draußen. Chhota Badriya lag direkt vor der Tür in seinem Erbrochenen, bei dessen Geruch es mir hochkam, also rannte ich zum Tor, beugte mich vor und würgte immer wieder, doch es kam fast nichts, und was kam, war scharf und bitter wie Gift. Die Dämmerung war noch nicht angebrochen, und die Straßen waren in beiden Richtungen vollkommen leer. Jeder x-beliebige hätte nach Gopalmath kommen, in mein Haus spazieren und mich im Schlaf umbringen können. Es wäre ganz einfach gewesen. Ich wandte mich um, ging wieder hinein, stieg die Treppe zum Dach hinauf. Oben setzte ich mich auf den Wassertank und wartete auf den Tagesanbruch. Ich hatte Durst, trank jedoch nicht. Ich wollte die Schmerzen und den Ekel in Erinnerung behalten.
    Die Umrisse des von mir Erbauten traten allmählich aus der Dunkelheit hervor, gleichsam in langsamen Schüben. Der Zement, den wir verwendet hatten, war inzwischen bräunlich verfärbt und fleckig, und die Leute in den Kholis hatten ihrerseits Farbtupfer gesetzt: das Blau und Grün der in den Türen hängenden Kleider, das glänzende Plastik auf den Dächern, rote Parolen an den Wänden und bunte Frauen auf Plakaten. Diese dicht beieinanderstehenden Kholis ergaben ein Patchwork aus Rechtecken und Quadraten, von Stromleitungen überspannt, die überallhin Verbindungen knüpften. Das alles war mein.
    Chhota Badriyas Kopf tauchte aus der Dachluke empor. »Bhai?«
    »Hier.«
    Er kam hoch, und ich sah, daß sein Haar naß zurückgekämmt war. Er hatte sich gewaschen und ein frisches Hemd angezogen. Er war ein guter Junge.
    »Wir werden Alkohol verkaufen«, sagte ich, »aber in diesem Haus wird es nie wieder einen Tropfen Alkohol geben.«
    »Bhai?«
    »Keinen Satrangi, keinen Narangi, keinen Johnny Walker, nichts.«
    »Ja, Bhai.«
    »Und jetzt geh einen Tee kochen. Und versuch, uns etwas zu essen aufzutreiben.«

    Die Geschäfte liefen gut. Ich ließ die Jungs Hafta 256 von den Ladeninhabern und Geschäftsleuten rund um Gopalmath eintreiben, bis hin zur Gaikwad Road, der Grenze zwischen meinem Gebiet und dem der Cobra-Gang. Sie nannten sich wirklich Cobra-Gang, so wie in einem Film vor dreißig Jahren eine von Pran und Ranjit angeführte Truppe hätte heißen können. Sie kontrollierten das ganze Gebiet im Osten bis zu den Fischerdörfern am Malad Creek, schmuggelten also auch im großen Stil, und alles in allem waren sie mächtig, sehr mächtig, stärker als wir und ungeheuer finanzkräftig. Ihren Anführer, einen gewissen Rajesh Parab, hatte ich nie zu Gesicht bekommen, er war ein alter Profi, mittlerweile sicher fünfzig oder sechzig, der mit Haji Mastan hergekommen war. Seinen Jungs hingegen begegnete ich auf der Straße und gelegentlich auch in einer Bar. Ich ging nicht in Bars, um zu trinken - nach jener ersten Johnny-Walker-Nacht trank ich nie wieder -, sondern wegen der Frauen, der Kellnerinnen und der Tänzerinnen. Meine Jungs folgten mir darin, sie rührten keinen Alkohol an, nicht mal ein Bier. Ich hatte das nie von ihnen verlangt, hatte es nicht zur Regel erhoben, doch da ich nichts mehr anrührte, rührte auch Chhota Badriya nichts mehr an, und schließlich wurde es in unseren Reihen zur Konvention. Ich begrüßte das außerordentlich: Etwas gemeinsam aufzugeben brachte die Jungs einander näher, es machte sie zum Team. Im Sinn gehabt hatte ich das nicht, als ich mit dem Trinken

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