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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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gewesen war. Ich war jetzt als Ganesh Gaitonde von Gopalmath anerkannt, und niemand mehr würde mein Recht, in der Stadt zu bleiben, anfechten.
    Ich hatte gesiegt, und zwar deshalb, weil ich alles über Anil Kurup wußte, als ich zu ihm ging. Ich kannte seine Geschichte, seine Stärken, seine Waffen, kannte die Namen seiner Gefolgsleute und überblickte, wer wie lange schon bei ihm war. Ich hatte mir die Zeit genommen, mich über ihn zu informieren, ihn zu durchleuchten, und er - der arrogante Gaandu - wußte nichts über mich. Aber warum war mir Chhota Badriya in den Rachen des Todes gefolgt? Er kannte mich kaum, der Irrsinn und das Risiko meines Plans hingegen müssen ihm sehr wohl bewußt gewesen sein, und trotzdem kam er mit. Und ich sage Ihnen: Er kam mit, weil ich es ihm befahl. Die meisten Männer wollen geführt werden, und es gibt nur sehr wenige, die führen können. Ich hatte ein Problem, ich hatte Handlungsoptionen, und ich traf eine Entscheidung. Weil ich es so beschlossen hatte, folgten mir Chhota Badriya und die anderen. Wer nicht entscheiden kann, ist nur formbare Masse in den Händen anderer.
    Ich machte meine Jungs zu meiner diamantharten Waffe, und ich baute das Basti Gopalmath. Ich geizte weder bei den Materialien noch bei den Bauarbeiten, wir errichteten stabile, geräumige Kholis aus Ziegelsteinen und Zement, ordentlich verputzt. Den Häusern war anzusehen, daß sie Bestand haben würden, so wie man den Straßen ansah, daß sie auch während der heftigsten Monsunregen nicht überschwemmt werden würden. Es sprach sich herum: Ganesh Gaitonde versetzt seinen Zement nicht mit Sand, bei ihm bekommt man, was man bezahlt hat.
    Gopalmath füllte sich schnell, die Leute standen Schlange für die Kholis, noch ehe sie fertig gebaut waren, ehe wir das Land gerodet, ja ehe wir die Häuserreihen auch nur erdacht hatten. Das Basti breitete sich entlang der Straße aus, zog sich den Hügel hoch, schien mit jedem Tag zu wachsen. Gleich von Anfang an gab es dort Dalits 145 und OBCs, Marathen und Tamilen, Brahmanen und Muslime. Meist fanden sich diese Gemeinschaften straßenweise zusammen. Gleich und gleich gesellt sich gern, und selbst inmitten der Abermillionen dieser Stadt, in diesem Dschungel, in dem ein Mann seinen Namen verlieren und zu etwas anderem werden kann, suchen noch die Niedrigsten der Niedrigen ihresgleichen und leben gemeinsam in stolzem Elend. Ich sah das und fand es seltsam, daß nicht ein Mann unter Tausenden den Mut hat, allein zu sein. Aber es war gut, sie scharten sich zusammen, und aus ihrer Mitte rekrutierte ich die Jungs für meine Company. Als Gaitonde-Company, oder auch G-Company, machten wir uns schnell einen Namen. Noch nicht in der Presse, doch die Basti-Bewohner im Norden und Osten Bombays kannten uns, und die Polizei und die anderen Companys ebenso.
    Mütter suchten mich auf. »Eine Stelle auf dem Postamt für meinen Jungen, Ganesh-bhai«, sagte eine. »Bringen Sie ihn irgendwo unter, Ganesh-bhai«, sagte eine andere. »Sie wissen am besten, wo.« Sie wollten Arbeit und Gerechtigkeit und meinen Segen. Ich gab ihnen das alles und dazu Wasser und Strom, den wir von den Leitungen an der Hauptstraße abzweigten. Ich lebte in einem Haus am Fuß des Hügels von Gopalmath, mit zwei Schlafzimmern und einem großen Raum in der Mitte, und jeden Morgen sammelte sich draußen auf der Treppe eine Schar von Suchenden, Bittstellern, Bewerbern und Verehrern. Sie kamen, um dies und das zu erbitten oder nur den Kopf zu senken. »Wir wollten bloß deinen Darshan 151 , Ganesh-bhai«, sagten sie, und den bekamen sie auch, sie schauten, falteten die Hände und zogen sich dann mit einem Vorrat an Wohlwollen für unausbleibliche künftige Katastrophen zurück. Ich wiederum erhielt ihren Segen und Geld, Bargeld von den Ladeninhabern und Händlern, den Tankstellenbesitzern und Dhaba-Besitzern der Gegend, damit wir sie und ihre Etablissements beschützten. Geschäftsleute, die in Streitereien und Zwistigkeiten verwickelt waren, kamen zu mir, und ich hörte mir alle Seiten an und fällte ein Urteil, eine faire und schnelle Entscheidung, die von meinen Jungs vollstreckt wurde, wenn nötig mit Gewalt; für derlei Schnellverfahren, durch die sich die Disputanten endlose und unsinnige Gerichtsprozesse ersparten, zahlten sie mir einen bestimmten Prozentsatz des Streitwerts. Geld kam rein und ging raus. Binnen acht Monaten hatte ich siebenunddreißig Angestellte - Raufbolde zum Köpfeeinschlagen, aber auch Jungs,

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