Der Pate von Bombay
die Botengänge erledigten, die sich um die Polizei-vaalas, die Stadtverwaltungs-vaalas und die Elektrizitäts-vaalas kümmerten. Intuitiv wußte ich - das hatte mir Paritosh Shah nie beibringen müssen -, daß man Geld ausgeben muß, um welches zu verdienen. Ich hatte gute Beziehungen zu dem Inspektor von der Wache an der G. T. Junction, der für unseren Bezirk zuständig war, Samant hieß er, wir trafen uns Woche für Woche mit seinen Unterinspektoren und steckten ihnen Umschläge zu. Tausende, aber es war nur Geld. Und was ich großzügig ausgab, kam vervielfacht zurück.
In jenem Jahr feierten wir Diwali 177 mit elektrischen Lichterketten entlang der größeren Straßen und einem großen Podest auf dem zentralen Chowk, mit Bhajan-Gesang 074 und Mithai 422 , und nach Einbruch der Dunkelheit stand ich am Tor meines Hauses und verteilte körbeweise »Atombomben«, Raketen und Wunderkerzen an die Kinder des Basti. Am Himmel über Gopalmath gingen silberne und goldene Funkenregen nieder, und die Detonationen verkündeten die Rückkehr des Guten und den Sieg der Tugend über den Tod. Flackernde Lichtpünktchen markierten die Umrisse meines Hauses, und obwohl ich im Dunkeln die Wände nicht sehen konnte, zeigten mir diese Flämmchen von Hunderten von Diyas 178 , daß ich einen Ort hatte, wo ich hingehörte, meine eigene Welt, ein Zuhause.
Dann kam Paritosh Shah mit Kanta Bai und Bada Badriya vorbei, und als er mich draußen stehen sah, zog er mich ins Haus. »Laß uns Lakshmi 361 willkommen heißen«, sagte er.
Wir schoben zwei Matratzen nebeneinander, setzten uns darauf und spielten Karten.
»Ich bin aber nicht besonders gut.«
Kanta Bai lachte. »Ganesh Gaitonde, du bist der waghalsigste Spieler, der mir jemals begegnet ist, und im Tin-patti 636 willst du nicht gut sein? Das ist völlig unmöglich, ich werde es dir beibringen.« Sie saß im Schneidersitz, mit einem Kissen im Schoß, auf das sie die Ellenbogen stützte, während sie die Karten blitzschnell mischte. Sie machten ein schwirrendes Geräusch zwischen ihren Fingern. »Und du, rück was von dem guten Zeug raus, Paritosh-bhai«, sagte sie. Also mußten wir Eis besorgen lassen und schickten drei der Jungs zum Vyas Bazaar, wo sie den Besitzer von Parthiv-Haushaltswaren von seinem Abendessen wegholten, damit er ihnen den Laden aufschloß, denn Paritosh Shah wollte seinen Johnny Walker auf keinen Fall aus meinen Stahlbechern trinken. Er hielt die funkelnden neuen Gläser hoch, die meine Jungs gebracht hatten, und meinte, die seien gar nicht schlecht. Und als ich mein Glas in der Hand hielt, sein Gewicht spürte und mit dem Finger über die scharfen Kanten des eingeprägten Musters fuhr, mußte ich zugeben, daß sich das alles richtig anfühlte. Ich wußte jetzt, daß »das gute Zeug trinken« bedeutete, daß man es aus guten Gläsern trank. Paritosh Shah hob sein Glas ans Gesicht und schwenkte es grinsend.
»Hör mal, Yaar«, sagte er. »Hör dir das an.«
Ich hob mein Glas ans Ohr, schüttelte es sanft und lauschte der perfekten kleinen Melodie der Eiswürfel im Glas.
»Cheers«, sagte Paritosh Shah. Ich zögerte, es war ein englisches Wort, das ich zwar schon gehört, aber noch nie verwendet hatte. »Cheeeeers«, wiederholte Paritosh Shah.
»Cheers«, sagte ich. Kanta Bai lachte und teilte die Karten aus. Ich schlürfte meinen Johnny Walker und fand rundum Gefallen daran, an dem Geschmack, dem Eis an meinen Zähnen, der kalten glatten Fläche an meiner Unterlippe. »Cheers«, sagte ich noch einmal und begriff, daß man für Johnny Walker ein anderes Haus brauchte, ein ganz und gar neues Setting.
Wir spielten Karten. Ich verlor unablässig, die ganze Nacht. Die Scheine wanderten von meiner Seite zu ihrer, aber ich war glücklich. Ich wußte, daß das Geld zurückkommen würde, man muß Lakshmi fröhlich und ohne Angst ziehen lassen, dann kommt sie zurück und überschüttet einen mit Wohltaten, nimmt einen auf den Schoß und drückt einen an sich wie einen Sohn. Dieses Kommen und Gehen macht das Glück aus, das Lakshmi bringt. Also knallten wir die Karten hin, und das Geld verschwand, aber ich war zufrieden, denn es würde wiederkehren - multipliziert durch Paritosh Shahs Geschäfte und seine Kenntnis der ansässigen Händler, die ein Vermögen verdienten, in meinem Königreich aßen und tranken und mir einen Tribut entrichten mußten; von Kanta Bai mit ihrem Satrangi-Fusel und den Hunderten, die ihn tranken, und weiteren Tausenden, die ihn trinken
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