Der Pate von Florenz
Glaskugeln, Fangleder und vieles andere, was von der Werkbank und den Wandborden gerissen worden war, bedeckten zusammen mit Asche und Kohlen die Dielen. Mitten in diesem wüsten Durcheinander lagen sogar einige aus dem Brennofen herausgebrochene Backsteine. Mit roher Gewalt waren auch die Fenster mit ihren schweren hölzernen Schlagläden zum Hinterhof aufgebrochen worden. Wer immer das Rennen um den Palio genutzt hatte, um in die Werkstatt einzubrechen, und diese furchtbare Verwüstung auf dem Gewissen hatte, war von dort aus eingedrungen.
»Wir sind ruiniert! Der kleine Kerzenleuchter, die beiden goldenen Mantelschließen und die Schmuckteller oben auf dem Wandbord, alles ist weg«, flüsterte Meister Emilio mit erstickter Stimme. Seine Linke krallte sich über der Brust in seinen Wams, als hätte er heftige Schmerzen. »Heilige Gottesmutter, wir sind ruiniert!« Tränen liefen ihm über das zerfurchte Gesicht und die Öllampe drohte seiner Hand zu entgleiten.
Sofort war Fiora bei ihm, nahm das Licht an sich und stellte es auf die Werkbank. Dann ging sie zu ihm zurück und fasste ihn unter dem Arm. »Kommt, Vater! Kommt nach oben! Ihr müsst Euch hinlegen und schnell etwas von dem Elixier zu Euch nehmen«, stieß sie hervor. »Alles andere hat Zeit bis später. Irgendwie werden wir es schon schaffen.«
Gebrochen und wie ein kraftloser Greis quälte sich Meister Emilio mit ihrer Hilfe vom Schemel hoch, wankte mit tränenüberströmtem Gesicht aus der verwüsteten Werkstatt und ließ sich die Stiege hinaufhelfen.
Für Marcello verstand es sich von selbst, dass er blieb und Fiora beim Aufräumen half. Als Erstes sorgte er für mehr Licht, dann hob er die Musterbücher auf, sammelte die herausgerissenen Seiten auf und wischte vorsichtig die Asche weg. Immer wieder schüttelt er den Kopf. Wer konnte so eine verbrecherische Tat begehen? Und warum waren all die Werkzeuge und anderen Utensilien beschädigt? Warum waren die Feilen verbogen, die Schalen von der Goldwaage gerissen, Steine aus dem Ofen herausgebrochen, die Seiten aus den Musterbüchern zerfetzt?
Wenn der Einbrecher auf Beute aus gewesen war und überall nach Gold, Silber und Schmuckstücken gesucht hatte, wieso hatte er dann so viel Zeit verschwendet für eine derart sinnlose Zerstörung? Und warum hatte er dann nicht auch das Bruchsilber und zumindest einen Teil der teuren Werkzeuge mitgenommen, anstatt sie nur unbrauchbar zu machen?
Der Einbrecher war geschickt vorgegangen. Er hatte den Weg durch die Ruine und über den Hinterhof gewählt und er hatte gewartet, bis der Wettkampf um den Palio begonnen hatte, als sich Jung und Alt entlang der Strecke drängte. Das Viertel war so gut wie ausgestorben gewesen und so hatte er sein schändliches Werk ungehindert vollenden können.
Also was, in Gottes heiligem Namen, steckte nur dahinter?
Marcello stand vor einem Rätsel.
Nach einer Weile kam Fiora zurück. Er sah ihr an, dass sie geweint hatte. Auch jetzt kämpfte sie wieder mit den Tränen und biss sich auf die Unterlippe. Ihr Gesicht war fast so grau wie die über die Dielenbretter verstreute Asche, doch in ihren Augen brannte ein wildes Feuer.
»Alles habe ich ihnen zugetraut, jede Gemeinheit, aber nicht das!« Fiora zitterte vor Zorn. »Wie gewissenlos muss man sein und wie tief gesunken, um uns das anzutun!«
»Ich begreife auch nicht, was hier geschehen ist und wie man so etwas Böses tun kann. Und ich hoffe, man fasst dieses verbrecherische Pack und lässt es hart dafür büßen. Aber jetzt müssen wir erst einmal nachprüfen, ob etwas gestohlen worden ist, und dann unverzüglich die Stadtbüttel benachrichtigen, damit sie Ermittlungen aufnehmen und in der Nachbarschaft nachfragen können, ob vielleicht doch jemand zu Hause war und etwas gehört oder gesehen hat.«
Fiora schüttelte den Kopf. »Das können wir uns sparen, denn die Büttel werden die Täter nicht zu fassen bekommen«, sagte sie verbittert. »Schon gar nicht, wenn sie unter dem Gesindel in der Stadt suchen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil ich weiß, wem wir die verwüstete Werkstatt und den Diebstahl der wenigen Schmuckstücke, die uns noch geblieben waren, zu verdanken haben, auch wenn ich es ihnen wohl nie werde beweisen können.«
Marcello sah sie verständnislos an. »Du kennst die Täter?«
Fiora ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie rang mit sich, ob sie ihm alles erzählen sollte. Aber was sprach denn dagegen, zumal sie ja eigentlich schon damit angefangen
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