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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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tun, um sich für den Ansturm der Menschenmassen zu rüsten, die an diesem Junitag aus allen Himmelsrichtungen durch die Tore strömen und die Stadt bevölkern würden. Selbst Schuldner, die sich nicht in die Stadt trauen konnten, ohne befürchten zu müssen, von Bütteln ergriffen und in den Schuldturm geworfen zu werden, konnten sich an den Toren gegen ein bescheidenes Entgelt die Aussetzung ihrer Verfolgung für diesen einen Junitag erkaufen. Und natürlich fanden sich in Florenz auch wieder ganze Heerscharen von Vaganten, fahrenden Händlern, Schaustellern, Marketenderinnen und Musikanten sowie das unvermeidlich in ihrem Sog mitreisende Gesindel ein. Denn neben den guten Geschäften, die ein solcher Ansturm von ausgelassen feiernden Menschen stets mit sich brachte, wollte sich keiner die spektakulären Umzüge und Wettkämpfe entgehen lassen, für die Florenz so berühmt war.
    Das abendliche Pferderennen um den Palio, ein kostbares Tuch im Wert von vielen Goldstücken, bildete den Höhepunkt und das mit Abstand beliebteste und aufregendste Ereignis des Tages. Dann donnerte eine vielköpfige Reitergruppe, bei denen es sich ausnahmslos um die Söhne der reichen Kaufmannsfamilien handelte, auf edelsten Pferden in wildem Galopp einmal quer durch die Stadt. Vor den überfüllten Tribünen auf der Piazza di Santa Croce als Erster durchs Ziel zu gehen war eine so große Ehre, dass so manch einer dafür sogar Leib und Leben riskierte.
    Fiora genoss den Tag in vollen Zügen. Schon am Morgen, nach der Prozession, begab sie sich mit Marcello an ihrer Seite und dessen Bruder Alessio sowie Silvio und einer bunt zusammengewürfelten Gruppe junger Männer und Frauen aus dem Viertel auf die Piazza della Signoria. Denn der Einzug der Abordnungen aus den unter Florentiner Herrschaft stehenden Städten, die an diesem Tag der Regierung ihren jährlichen Tribut zollten, gestaltete sich immer überaus feierlich und bestärkte die Bewohner in ihrem Wissen um die Macht, die ihre stolze Republik über die Toskana ausübte.
    Anschließend ließen sie sich durch die prächtig geschmückte Stadt treiben. Überall wehten Fahnen, Banner und Wappenzeichen. An jeder Straßenecke kämpften Spielleute oder Schausteller gegen den fröhlichen Stimmenlärm an.
    Je länger sie von einer Volksbelustigung zur nächsten zog, desto mehr schrumpfte ihre bunt zusammengewürfelte Brigata zusammen und sie löste sich allmählich auf, je näher der Abend rückte. Als Erster setzte sich ein junger Handwerker nach einem Schaukampf in die nächste Taverne ab, dann verloren sie zwei Mädchen im Gewimmel eines Marktes. Zwei junge Burschen blieben an einer Bude zurück, wo man sich im Messerwerfen üben und kleine Preise für Treffer ins Schwarze gewinnen konnte, und eine andere Nachbarstochter trennte sich verlegen kichernd von ihnen und verschwand mit einem lockenköpfigen Bäckergesellen in Richtung der Obsthaine am Borgo Ognissanti nahe des Arno, nachdem dieser ihr stundenlang schöne Augen gemacht hatte.
    Fiora wünschte sich insgeheim, auch die anderen würden endlich gehen, sodass sie am Ende allein mit Marcello war und die restlichen Stunden nur mit ihm verbringen konnte. Aber daraus wurde nichts. Sowohl Alessio als auch Silvio machten keine Anstalten, ihrer Wege zu gehen. Und dann gesellte sich auf der Piazza di Santa Croce auch noch Fioras Vater zu ihnen, als der Wettkampf um das Palio näher rückte. Das spannende Ende des Pferderennens wollte auch er sich nicht entgehen lassen, zumal es für sie auf einer der Tribünen reservierte Sitzplätze gab. Marcello hatte dafür gesorgt, seinen Vater aber wohlweislich nicht darum gebeten, zusammen mit den Bellisario bei ihm auf der Haupttribüne und damit inmitten der Vornehmsten und Reichsten der Stadt sitzen zu dürfen. Als er ihn wegen der Plätze gefragt hatte, hatte der Vater ihn ohnehin schon mit einem mahnenden Blick bedacht, es aber dabei belassen und nur gesagt, dass er sich darum kümmern werde.
    Alessio ließ es sich jedoch nicht nehmen, sich zum Vater auf die überdachte und herrlich ausgeschmückte Haupttribüne zu begeben, wo die Familie des Medici-Consigliere ihre angestammten Plätze hatte, unweit von Lorenzo und dessen Bruder Giuliano, der tags zuvor rechtzeitig wieder nach Florenz zurückgekehrt war.
    Bevor Alessio sich von ihnen trennte, tauschte er einen Abschiedsgruß mit Meister Emilio und rief ihnen dann zu: »Na dann, jedem den Sieg, den er sich wünscht!« Dabei warf er Marcello einen

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