Der Pate von Florenz
spöttischen Blick zu.
»Ich werde dann auch mal gehen«, sagte nun Silvio, für den es keinen reservierten Platz gab.
Marcello wollte ihn überreden, doch zu bleiben. »Du kannst dich zu uns auf die Bank setzen. Wir rücken einfach ein bisschen enger zusammen.«
Silvio winkte ab. »Lass nur, ich sehe mir das Rennen sowieso lieber ein Stück weiter unten an, wo die Reiter zuerst scharf um die Ecke am Borgo de’ Greci und dann gleich wieder rechts herum hierher zur Piazza müssen. Da gibt es die spannendsten Kämpfe um die Spitze«, sagte er und tauchte im Menschengewimmel unter.
Das Rennen war spannend bis zum Schluss. Gleich drei Reiter machten sich den Sieg streitig. Kopf an Kopf preschten sie aus dem Borgo de’ Greci heran und jagten auf die Piazza zu, dicht im Nacken ihre Verfolger, die nicht daran dachten, den Sieg verloren zu geben. Schaum flog den Tieren aus dem Maul und der donnernde Hufschlag vermischte sich mit den Anfeuerungsrufen der Menge auf den Tribünen und der vielen Menschen, die den weitläufigen Platz vor der Kathedrale mehrere Reihen tief umschlossen.
Es war Lorenzos Freund Bernardo Rucellai, dessen Pferd am Ende des Rennens über die meisten Kräfte verfügte. Es löste sich aus der Spitzengruppe und ging unter dem tosenden Jubel der Zuschauer mit einer knappen Pferdelänge durchs Ziel. Begeistert über den Ausgang des Rennens, jubelte Lorenzo de’ Medici seinem Freund zu. Denn es war auch ein Sieg der Medici-Partei über all jene, die aus den Reihen der ihnen feindlich gesonnenen Familien wie der Pazzi und der Strozzi kamen. Seinem Freund Bernardo das kostbare Siegertuch überreichen zu können war für ihn und seine Anhängerschaft die Krönung des Rennens.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Menge auf der Piazza aufgelöst hatte, sodass an ein Durchkommen in Richtung der Stadtmitte nicht zu denken war. Für viele ging das Fest in den zahllosen Schankstuben und Tavernen noch bis tief in die Nacht weiter. Doch nicht für Fiora und ihren Vater, die sich in Begleitung eines älteren Handwerkers aus der Nachbarschaft auf den Heimweg in die Via dei Ferravecchi machten.
Fiora und Marcello folgten den beiden Männern mit einigen Schritten Abstand. Sie waren froh, wenigstens diese kurze Zeit für sich allein zu haben, auch wenn sich das keiner von beiden anmerken ließ. Sie redeten über das Rennen und all die anderen Erlebnisse des Tages.
Meister Emilio hatte sich schon von seinem Nachbarn verabschiedet und die Haustür aufgeschlossen, während Marcello und Fiora noch gut die Hälfte der Straße vor sich hatten. Hinter dem Mercato Vecchio waren ihre Schritte langsamer geworden und der Abstand zu den beiden Männern vor ihnen hatte sich vergrößert, weil beide den Zeitpunkt des Abschieds voneinander möglichst lange hinauszögern wollten.
»Vielleicht hast du ja bald mal wieder Zeit, zu uns in die Werkstatt zu kommen«, sagte Fiora, als sie schließlich vor der Haustür standen. »Das Schmuckstück, das der Gewandschneider Manetto Pontano bei uns in Auftrag gegeben hat …«
Um was für ein Schmuckstück es sich dabei handelte und was Fiora ihm dazu hatte sagen wollen, erfuhr Marcello an diesem Abend nicht mehr, denn ein Aufschrei des Entsetzens drang aus dem Haus und ließ sie sofort vergessen, was sie sich noch hatten sagen wollen.
»Um Himmels willen!«, stieß Fiora erschrocken hervor, stürzte ins Haus und rief: »Vater! Was ist geschehen?«
Marcello folgte ihr auf dem Fuße.
Von Meister Emilio kam keine Antwort.
»Oh Gott! Nein!« Wie vor eine unsichtbare Wand geprallt, war Fiora in der Tür zur Werkstatt stehen geblieben. Marcello lief es kalt den Rücken hinunter.
Noch immer sagte Meister Emilio kein Wort.
Marcello drängte sich an Fiora vorbei durch die Tür und dann traf es auch ihn wie ein Schlag, als er begriff, was sich seinen Augen im flackernden Lampenschein darbot.
Meister Emilio, der im Vorzimmer ein Öllicht angezündet hatte, hockte leichenblass auf einem Schemel. Die linke Hand hatte er vor den Mund geschlagen, während er in der zitternden rechten Hand die Ölleuchte hielt.
Selbst im schwachen Lichtschein war zu erkennen, dass die Werkstatt ein Bild der Verwüstung bot. Alle Werkzeuge lagen auf dem Boden verstreut, viele davon verbogen oder unbrauchbar gemacht. Die Kiste mit den Musterbüchern war umgestürzt und Seiten waren in wilder Zerstörungswut herausgerissen worden. Reste von Bruchsilber, Tiegel, Polierzähne, die Scherben von zerborstenen
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