Der Pate von Florenz
guttun.« Erschrocken hielt sie die Luft an. Jetzt hätte sie sich beinahe verraten! Und bevor Giulio nachfragen konnte, was sie denn so lange im Sitzen gemacht habe, fügte sie schnell hinzu: »Aber viel Zeit habe ich nicht.«
»Das wird unserem Vergnügen keinen Abbruch tun«, sagte er erfreut.
Der Spaziergang dauerte länger, als Fiora vorgehabt hatte, aber die Zeit war wie im Fluge vergangen, so gut wusste Giulio sie zu unterhalten.
Am nächsten Morgen waren sie sich auf dem Markt wiederbegegnet. Fiora konnte sich nicht erinnern, ob sie beim Spaziergang erwähnt hatte, dass sie frisches Gemüse einkaufen müsse. Und wieder versetzte Giulio sie in Erstaunen. Diesmal steckte er nicht in der abgetragenen Kutte eines Konversen, sondern er war wie ein deutscher Landsknecht gekleidet, mit kniehohen Schaftstiefeln, geschlitzten Beinkleidern, deren bunter Stoff arg verblichen war, einem Wams, der auch schon bessere Tage gesehen hatte, und einer großen Tellermütze auf dem Kopf, unter der sein Haar ganz verschwunden war. Sie hätte beinahe laut aufgelacht, als sie die schwarze Augenklappe mit dem breiten Schnürband sah, die er sich über das linke Auge gebunden hatte.
»Ist schon wieder Karneval, Giulio?«, stieß sie prustend hervor. »Oder willst du jetzt unter die Landsknechte gehen?«
In gespielter Nachdenklichkeit wiegte er den Kopf. »Wenn ich es recht betrachte, bin ich als Diener meines hohen Herrn eigentlich schon immer ein Landsknecht gewesen, denn was ist ein Landsknecht anderes als ein Knecht für dessen Land?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aus dir soll einer schlau werden, Giulio! Du machst dich mal wieder lustig über mich. Irgendetwas steckt doch dahinter, dass du gestern wie ein Konverse aufgetreten bist und heute wie ein Landsknecht!«
Er zwinkerte ihr zu. »So sind wir nun mal, wir Florentiner! Wir preisen Gott mit unseren herrlichen Kathedralen und Klöstern und empfangen kniefällig den Leib des Herrn aus der Hand unserer Priester und dann geht es auf in die nächste Schlacht, um den Reichtum unserer Stadt zu mehren, vor allem aber den eigenen!«, spottete er. »Aber lass uns dorthin gehen, wo es ruhiger ist. Ich mag das Gedränge und Geschiebe nicht.« Damit packte er sie am Arm und zog sie mit sich fort.
»Halt ein!«, rief Fiora verwundert. »Wo willst du mit mir hin?«
»Lass dich überraschen. Und ein halbes Stündchen wirst du doch Zeit haben, oder?«
Selbst wenn sie keine Zeit gehabt hätte, wäre sie mit ihm gegangen. Sie war einfach zu neugierig, was es mit seinen Verkleidungen auf sich hatte und wohin er mit ihr wollte.
Es war das Kloster San Marco in der Via Larga. Doch er führte sie nicht in die Kirche, sondern ein kurzes Stück weiter die Straße hinauf, an einer hohen Steinmauer entlang. Dann blieb er vor einer schmalen Seitenpforte stehen, zog einen Schlüssel hervor und schloss sie auf.
»Warst du schon einmal in den Gärten von San Marco?«, fragte er.
»Natürlich nicht! Wie sollte ich auch? Hier ist doch nur den Mönchen, ihren Wohltätern und anderen hochgestellten Personen der Zutritt erlaubt!«, sagte sie und sah ihn besorgt an. »Um Gottes willen, wir können da nicht hinein, Giulio! Woher hast du überhaupt einen Schlüssel für die Seitenpforte?«
»Mein Großvater hat dem Kloster einen großen Dienst erwiesen«, gab er verschmitzt zur Antwort. »Das haben die Mönche ihm nie vergessen und deshalb habe ich nicht nur einen Schlüssel, sondern auch das gute Recht, hier zu lustwandeln, wann immer und mit wem immer ich will.« Damit schob er sie vor sich her durch die Pforte und schloss die Tür schnell wieder ab.
Fiora schaute ihn ungläubig an und schüttelte den Kopf. »Du bist ein Mann voller Rätsel, Giulio!«
Er lachte. »Ach, die sind leichter zu lösen, als du denkst. Und jetzt lass dich durch den Garten führen.«
Es war ein Genuss, durch die wunderschöne gepflegte Anlage zu spazieren, an den Blumen zu riechen und sich an der Pracht zu erfreuen, die sich ihren Augen darbot. Vor allem der hintere Teil, in dem eine Fülle von Kräutern für die Klosterküche und die Apotheke der Mönche wuchs, hatte es Fiora angetan.
Sie waren schon wieder auf dem Weg zurück zur Seitenpforte, als ihnen ein älterer Mönch mit schlohweißem Haarkranz entgegenkam.
Giulio wollte ihm noch ausweichen, aber dafür war es schon zu spät. So wandte er rasch den Kopf zur Seite und tat, als müsste er einen verrutschten Ärmel zurechtzupfen. Der Mönch nickte ihnen freundlich,
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