Der Pate von Florenz
aber auch ein wenig verwundert zu. Plötzlich stutzte er und blieb stehen.
»Trügen mich meine alten Augen oder seid Ihr es wirklich, mein Herr Giuliano de’ Medici?« Dann lachte er auf. »Heiliger Vater im Himmel, Ihr seid es in der Tat! Ist es nicht noch etwas zu früh am Tag, um sich für einen Maskenball zu verkleiden? Ich hoffe jedenfalls nicht, dass Ihr ein Condottiere für das Haus Medici werden wollt. Davon hat unser Land schon mehr als genug.«
Fiora war wie erstarrt. Bestimmt hatte sie sich verhört! Ihr Giulio sollte in Wirklichkeit Giuliano de’ Medici sein, der Bruder des mächtigsten Mannes in Florenz?
Sie mochte es nicht glauben. Aber als sie ihn mit mühsam beherrschter Miene ansah und sich die Verkleidung wegdachte, fiel es ihr auf einmal wie Schuppen von den Augen. Natürlich, er war es!
Giuliano lächelte gequält. »Mein werter Beichtvater Bonifacio, habt die Güte, diese kleine Scharade für Euch zu behalten«, bat er. »Unsere Familie steht ohnehin schon oft genug im Licht der Öffentlichkeit. Da muss nicht auch noch bekannt werden, dass ich es gelegentlich vorziehe, unerkannt meiner Wege zu gehen, um nicht auf Schritt und Tritt um Gefälligkeiten angesprochen zu werden.«
Der Pater neigte den Kopf. »Gewiss, gewiss, das kann zu einer rechten Plage werden. Nun denn, ich werde es für mich behalten.« Er zwinkerte ihm zu. »So lasst Euch denn nicht länger aufhalten, mein Herr Landsknecht. Und verzeiht, dass ich Euch für einen anderen gehalten habe. Wie gesagt, meine alten Augen sind auch nicht die besten. Also dann: Benedicete!«
»Dominus!«, antwortete Giuliano, wie es der Gruß des Paters gebot.
Fiora nickte nur. Doch sowie sich der Pater außer Hörweite befand, machte sie ihrem Ärger und ihrer Empörung Luft.
»Wie könnt Ihr solch einen gemeinen Unfug mit mir treiben, mein Herr!«, stieß sie erbost hervor. »Sich einen Spaß zu machen auf Kosten eines einfachen, dummen Mädchens aus dem Volk mag in Euren Kreisen vielleicht zum guten Ton gehören. Aber ich kann nicht darüber lachen! Schämen solltet Ihr Euch!«
Doch anstatt sich reumütig zu zeigen, lachte Giuliano. »Ich wusste gar nicht, dass du auch hinreißend aussiehst, wenn du wütend bist!«, neckte er sie. »Und waren wir nicht schon längst zu einer weniger förmlichen Anrede übergegangen, liebe Fiora?«
Zornig funkelte sie ihn an. »Ich erinnere mich nicht mehr daran, Signore! Und jetzt schließt mir die Pforte auf und lasst mich gehen!«, verlangte sie schroff. »Ihr habt mich lange genug zum Narren gehalten!«
Giuliano dachte gar nicht daran, sie so einfach gehen zu lassen. »Nun beruhige dich mal wieder, Fiora. Dass ich dich ein wenig getäuscht habe, hat nichts mit dem zu tun, was du mir gerade unterstellt hast. Mir ist es nicht einen Augenblick lang in den Sinn gekommen, mich über dich lustig zu machen. Und für ein dummes Mädchen halte ich dich erst recht nicht«, redete er besänftigend auf sie ein. »Ich habe meine guten Gründe, warum ich mich nicht zu erkennen gegeben habe. Das weiß auch Marcello, nur der ist leider nicht in der Stadt, um zu bekräftigen, dass ich nichts Böses im Sinn habe. Schade, dass Pater Bonifacio mich doch noch erkannt hat, aber als mein Beichtvater schon von Kindheit an kennt er mich besser als jeder andere außerhalb meiner Familie. Also lass mich dir erklären, warum ich manchmal verkleidet herumlaufe und warum es für mich ein Geschenk ist, dass ich dich nicht als Giuliano de’ Medici kennengelernt habe, sondern als der unbedeutende Diener Giulio …«
Fiora stieß einen tiefen Seufzer aus, als sie sich daran erinnerte. Sie hatte ihm zugehört, und als er ihr erzählt hatte, welche Bürde es oftmals war, ein Medici zu sein und sich so vielen Zwängen beugen zu müssen, die sein Name mit sich brachte und die sein Bruder Lorenzo ihm immer wieder von Neuem vor Augen hielt, da war ihr Zorn auf ihn so schnell verraucht, wie er aufgeflammt war.
Fiora schüttelte noch einmal den Kopf und lachte leise auf, als sie sich an jenen Tag erinnerte, an dem ihr im Klostergarten von San Marco die größte Überraschung ihres Lebens widerfahren war. Giuliano de’ Medici bewegte sich in den vornehmsten Kreisen und war es gewohnt, dass die unverheirateten Töchter der Reichen und Vornehmen ihm schöne Augen machten. Doch was tat er? Er zog ihre Gesellschaft vor! Es war verrückt und doch war es so geschehen.
Rasch nahm sie die Arbeit an der Mantelschließe wieder auf. Bald musste sie
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