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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sich nicht mehr so sicher, ob ihm an Pazzis Einverständnis überhaupt noch gelegen war.
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    1 Hausmeister. Eine Stellung, die mit der eines Butlers vergleichbar ist.
    2 Gasthaus zur Glocke

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    M arcello hatte die Schnürbänder seines leichten Sommerwamses gelockert, denn er schwitzte trotz der dicken Mauern, die ihn umgaben. Durch das weit offen stehende Fenster des kleinen Kontors im Palazzo von Taddeo Sculetti, das ihm der Hausherr zum Studieren und für seine Briefe an den Vater zugewiesen hatte, drang nicht der leiseste Hauch eines Lüftchens.
    Wie eine dicke, schwere Suppe stand die Augusthitze in den Straßen und Gassen von Pistoia und sie wollte auch nachts nicht weichen. Dementsprechend war auch der Gestank, der von all dem Unrat, Urin und Kot aufstieg, der tagtäglich in die Abflussrinnen gekippt wurde. So hatte er nur die Wahl, entweder vor Schweiß zu zerfließen oder den Gestank zu ertragen.
    Was hätte er darum gegeben, jetzt irgendwo auf dem Land auf einer schattigen Loggia sitzen zu können! Selbst ihr nicht gerade komfortables und erst halb fertiges Gut Finochieta erschien ihm wie ein paradiesischer Ort! Aber Pistoia auch nur für ein paar Tage zu entfliehen, daran war nicht zu denken. Der Sommer war die Zeit des Jahres, in der in einer Ziegelei jede Stunde Tageslicht genutzt werden musste, damit so viele Backsteine und Dachziegel wie nur möglich gebrannt werden konnten. Die in hohen Stapeln aufgeschichteten Vorräte mussten schließlich bis zum nächsten Frühsommer reichen. Im Herbst galt es dann, Ton zu stechen und heranzuschaffen, damit er sich den Winter über setzen konnte, und die Frühlingsmonate waren dazu bestimmt, schier unendlich viele Formen zu füllen, Schäden an den Brennöfen auszubessern, Kalk und Holz zu beschaffen und die ersten Feuerungen vorzubereiten.
    Als Marcello die vorbildlich geführte Ziegelei seines Gastgebers und mehrmonatigen Lehrherrn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sogleich gewusst, warum es seinem Vater so wichtig gewesen war, ihn zu Taddeo Sculetti und zu keinem anderen zu schicken. Auf seinem Gelände gab es kein herumliegendes Gerümpel, keine Unordnung und keine achtlos weggekippte Asche, in die der nächste Windstoß fahren und sie in Wolken über den Platz wehen konnte, wie es bei Saccente und Silvio andauernd vorkam. Bei Sculetti wurde die Asche in eine tiefe Grube geschüttet und mit einer großen nassen Plane abgedeckt. Diese wurde mit Steinen beschwert, damit sie sich nicht lösen konnte.
    Auch alle anderen Arbeiten erledigten Sculettis Arbeiter auf ähnlich vorbildliche Weise. Keiner erlaubte sich irgendeine Art von Nachlässigkeit, denn ihr Herr führte ein strenges Regiment. Aber keiner nahm ihm das übel, denn er zahlte gut und zeigte sich auch sonst nicht knauserig. Nicht selten ließ er am späten Samstagnachmittag ein Fässchen mit anständigem Trebbiano und einen großen Korb mit Schmalzgebackenem bei ihnen abliefern, wenn sie wieder einmal ein prächtiges Wochenergebnis erzielt hatten. Das spornte an und schlug sich im Profit nieder, den die Ziegelei erwirtschaftete.
    Ja, er konnte eine Menge lernen bei Taddeo Sculetti, auch viel Kaufmännisches, von dem er bei Saccente noch nie etwas gehört hatte. Aber auch sonst hatte er es gut angetroffen. Im privaten Umgang war Sculetti ein sehr angenehmer Mann, mit dem Marcello sich angeregt unterhalten konnte, auch über das Geschäftliche hinaus. Bei einem dieser Gespräche ließ er durchblicken, dass Marcellos Vater, der Consigliere, ihm vor vielen Jahren einmal in einer argen gerichtlichen Auseinandersetzung zur Seite gestanden habe und dass er ihm daher nicht nur verpflichtet, sondern in großer Freundschaft verbunden sei.
    Auch mit dem Rest der Familie verstand Marcello sich vom ersten Tag an. Sculettis Frau Lappina, eine warmherzige und recht schöne Frau, verwöhnte ihn bei jeder Gelegenheit, als hätte er lange Zeit unter bitteren Entbehrungen gelitten. Ihr siebenjähriger Sohn Orsino war ein lustiger, aufgeweckter Kerl, dem er nicht genug von Florenz und den Medici erzählen konnte. Und die dreizehnjährige Tochter Letta, hübsch wie die Mutter und von reizender Schüchternheit, behandelte ihn mit einem Respekt und einer Bewunderung, als wäre er ein Prinz, den eine wunderbare Laune des Schicksals in ihr Haus geführt hatte.
    Marcello wurde den Verdacht nicht los, dass sein Vater ihn nicht nur in das Haus von Taddeo Sculetti geschickt hatte, damit er einen tiefen Einblick in die

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