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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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geschäftlichen Feinheiten einer gut geführten Ziegelei gewann, sondern damit er auch den Liebreiz der jungen, gerade heiratsfähig gewordenen Tochter Letta zu schätzen lernte.
    Gewundert hätte es ihn nicht. Sein Vater würde nie auf die gewöhnlich direkte Art einen Sensale mit dem Ausspähen einer Braut für seine Söhne beauftragen, sondern ihnen ganz nebenbei eine Möglichkeit geben, sich Gedanken darüber zu machen, ob diese oder jene Tochter nicht eine gute Ehefrau und einen Gewinn für das Haus Fontana abgeben würde. Und was die Mitgift anging, mit der Letta rechnen durfte, so würde diese angesichts des Vermögens ihres Vaters zweifellos irgendwo zwischen fünfzehnhundert und zweitausend Florin liegen.
    Dass er mit seiner Vermutung gar nicht so falsch lag, entnahm er auch den Briefen, die er regelmäßig alle zwei Wochen von seinem Vater erhielt. Schon im ersten Brief hatte dieser sich erkundigt, wie er sich denn in seine Gastfamilie eingefunden habe, ob er auch mit allen zurechtkomme und was aus dem hübschen kleinen Mädchen Letta geworden sei, das er schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe, an das er sich aber noch gut erinnern könne, wie schnell sie ihn mit ihrer natürlichen Anmut für sich gewonnen habe. Und sei sie ihrer zauberhaften Mutter nicht wie aus dem Gesicht geschnitten?
    Ja, Vater, das ist sie in der Tat!, dachte Marcello und stieß einen schweren Seufzer aus. Letta hatte ihre Reize, das war unbestritten, und das lag auch an der zu erwartenden Mitgift, die sie später einmal mit in die Ehe bringen würde. Aber wenn der Vater gehofft hatte, dass er in seine Antwortschreiben auch nur einen einzigen Hinweis darauf einfließen lassen würde, dann hatte er ihn bislang enttäuschen müssen. Denn wie sehr Letta ihm auch gefiel, sie vermochte nicht, ihn Fiora und seinen Kummer vergessen lassen, dass er schon so lange getrennt war von ihr und dass er noch gute zwei Monate hier in Pistoia ausharren musste. Wenn er am Morgen erwachte, sah er ihr Bild vor sich und nachts nahm er es mit in den Schlaf.
    An manchen Tagen wünschte er, er könnte sich damit abfinden, dass es sinnlos war, diesen Träumen noch länger nachzuhängen. Er wusste ja, dass es nicht möglich sein würde, die Zustimmung des Vaters zu bekommen für eine Ehe mit Fiora. Vater hatte andere Pläne mit Alessio und mit ihm und mit diesem Wissen, nach welchen Regeln ein Parentado ausgewählt wurde, war er aufgewachsen. Dennoch gelang es ihm nicht, sich damit abzufinden.
    Wie gern hätte er Fiora einen Brief geschrieben! Aber das verbot sich von selbst. Er war fremd in der Stadt und kannte niemanden, dem er vertrauen konnte und der für einige Tage nach Florenz reiten würde, nur um dort einen Brief zu übergeben. Sie dem Boten mitzugeben, mit dem Sculetti seine Korrespondenz wegschickte, war ein viel zu großes Wagnis. Der Mann konnte Instruktionen erhalten haben, dass er ein solches Ansinnen seinem Herrn umgehend mitzuteilen habe.
    Marcello konnte sich sehr wohl vorstellen, dass sein Gastgeber von seinem Vater gebeten worden war, ein gutes Auge darauf zu haben, ob er Briefe oder andere Botschaften versandte, die nicht an ihn, Sandro Fontana, gerichtet waren. Wer sich ein halbes Jahrhundert lang als Consigliere der Medici tagein, tagaus mit den politischen und geschäftlichen Intrigen und Ränkespielen beschäftigt hatte, den führte man nicht so leicht hinters Licht, der war wie ein erfahrener und stets hellwacher Schachspieler, der grundsätzlich mehrere Züge vorausdachte.
    Ein leises Hüsteln in seinem Rücken ließ ihn zusammenfahren. Wie ertappt blickte er sich um.
    Letta stand in der Tür, wieder einmal in ein neues Gewand aus zartem hellgrünem Stoff gekleidet, das ihre schwarzen Locken und ihre elfenbeinfarbene Haut dezent, aber doch unübersehbar zur Geltung brachte. Eine leichte Röte lag auf ihren Wangen und sie senkte schicklich den Blick, als sie zu sprechen begann: »Ich soll Euch sagen, dass Ihr bitte zu Tisch kommen mögt, Herr Marcello.«
    Marcello seufzte leise und erhob sich. »Danke, Letta.«
    Warum nur musste das Herz ersehnen, was der Verstand unerfüllbar wusste?

32
    E ndlich hatte die Sommernacht ihr dunkles Tuch über die Stadt geworfen. Montesecco wartete in seinem Gästezimmer auf das Eintreffen von Jacopo de’ Pazzi.
    Der Bankherr hatte ihm durch einen Boten ein versiegeltes Schreiben zustellen lassen, in dem er ihm mitgeteilt hatte, er werde kurz nach Einbruch der Dunkelheit zu ihm ins Gasthaus kommen.

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