Der Pate von Florenz
benommen und wie von fremder Hand gesteuert, seinen Pflichten mehr schlecht als recht nachgekommen und nachts hatte er kaum Schlaf finden können. Dann hatten ihn der Schmerz, die Verzweiflung und die Wut mitgerissen, als wäre ein Damm in ihm gebrochen. Ruhelos hatte er sich hin und her gewälzt, das quälende Bild von Fiora, wie sie in den Armen von Giuliano lag, vor seinem inneren Auge, und er hatte sich immer wieder aufs Neue Vorwürfe gemacht, dass er die beiden zusammengebracht und Fiora nach der Karnevalsnacht verschwiegen hatte, um wen es sich bei Giulio in Wirklichkeit handelte.
Oft genug hatte die Stimme der Vernunft den Einwand vorgebracht, dass Meister Emilio ohne Giulianos Eingreifen noch mehr gefoltert und schließlich hingerichtet worden wäre. Und dennoch hatte er den Wunsch nicht unterdrücken können, Giuliano wäre nicht zur Stelle gewesen und hätte Fiora nicht umgarnen können. Er hatte sich geschämt, aber trotz allem hatte er diesen fürchterlichen Wunsch nicht aus seinem Herzen verbannen können.
Es waren schreckliche Tage und Nächte gewesen und nur ganz allmählich war es besser geworden. Er wusste, er musste sich damit abfinden, dass er Fiora verloren hatte. Und er suchte Trost, indem er sich immer wieder sagte, dass er sich schon viel zu lange an die lächerliche Hoffnung geklammert hatte, dem Vater vielleicht eines Tages doch noch die Zustimmung zu einer Ehe mit ihr abringen zu können. Nicht erst seit Pistoia und den klaren Worten des Vaters nach seiner Rückkehr hatte er gewusst, dass dies nur eine Täuschung war. Aber er war blind gewesen und hatte sich geweigert, sich der nüchternen Wirklichkeit zu stellen, und nun hatte er den Preis für seine Unvernunft zu zahlen!
Bitterkeit und ein quälender trostloser Schmerz waren geblieben, aber seine Wut auf Giuliano hatte sich verflüchtigt. Er hatte kein Recht, ihn anzuklagen, als hätte der ihn schändlich hintergangen und ihre Freundschaft verraten. Giuliano hatte sich einmal mehr eine Liebschaft mit einer Frau aus dem Volk gegönnt und damit hatte er etwas getan, was so viele ledige und auch verheiratete Männer aus der vermögenden Bürgerschaft schon seit Generationen als ihr angestammtes Recht betrachteten, Lorenzo und seine Brigata inbegriffen.
»Ich muss mit dir reden«, sagte Giuliano, als sie auf der Loggia saßen, vor sich auf dem Tisch Wein, frisches Brot und verschiedene Sorten Käse. »Früher oder später erfährst du es ja doch.«
Marcello sagte nichts und sah ihn nur fragend an. Sollte er nur glauben, dass Fiora sich an ihr Wort gehalten hatte. Zumindest diesen letzten Freundschaftsdienst war er ihr schuldig.
»Aber du musst mir versprechen, dass du nicht darüber sprichst!«
Marcello nickte.
Giuliano atmete tief durch. »Es hat mit Fiora zu tun, diesem hübschen Mädchen aus eurer alten Nachbarschaft.«
Marcello verzog das Gesicht zu einer säuerlichen Miene. »Lass mich raten. Du hast mit ihr angebändelt, als ich nicht in Florenz war, um dir auf die Finger zu klopfen!«
Giuliano lachte freudlos auf. »Es wäre wohl wirklich besser gewesen, wenn du ein Auge auf mich gehabt hättest, denn beim Anbändeln ist es dummerweise nicht geblieben. Ich habe mich regelrecht verguckt in die Kleine und dann kam das eine zum andern und plötzlich war es dann geschehen, dass ich sie geschwängert habe – und das in einer einzigen verdammten Nacht!«
»So? Ganz plötzlich ist es geschehen, ja?«, wiederholte Marcello sarkastisch. »Du hast gar nicht gemerkt, dass du sie unter betörendem Liebesgeflüster ausgezogen, dich zu ihr ins Bett gelegt und sie dann entjungfert hast, nicht wahr? Und jetzt kannst du es dir nicht erklären, wie es dazu hatte kommen können, richtig?«
Giuliano sah ihn verlegen an. »Mach dich nicht lustig über mich.«
»Nach Späßen ist mir beileibe nicht zumute.«
»Mein Gott, du weißt doch genau, dass ich es so nicht gemeint habe, Marcello. Natürlich habe ich mich nicht plötzlich mit ihr im Bett wiedergefunden und wusste nicht, wie mir geschah«, räumte er kleinlaut ein. »Ich dachte, ich hätte dafür gesorgt, dass dieses Abenteuer keine Folgen hat. Aber das war wohl ein Irrtum.«
»Den Fiora nun ausbaden muss. Denn es ist ja nicht dein Ruf, der Schaden nimmt, wenn bald jeder sieht, dass sie ein Kind erwartet!«
Giuliano machte eine zerknirschte Miene. »Es tut mir auch leid für sie. Aber was geschehen ist, ist geschehen.«
»Für dich geht das Leben seinen normalen Gang, nicht aber für
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