Der Pate von Florenz
gekümmert! Dieses Kümmern kannte er, besonders wenn es sich um einen frischen Fisch handelte, wie die Brigata der Medici eine junge Frau in ihrer Geheimsprache zu bezeichnen pflegte, die erobert werden sollte!
Hastig fuhr Fiora fort, erzählte knapp von den Ausflügen aufs Land und den heimlichen Treffen mit Giuliano und kam schließlich auf die Nacht zu sprechen, die sie mit ihm in einem Palazzo des Medici-Freundes Bernardo Rucellai am Fluss vor der Stadt verbracht hatte. »Es war zu spät geworden, um noch rechtzeitig nach Florenz zurückzukehren. Wir haben viel kühlen Wein getrunken, weil es an dem Tag so heiß gewesen ist …«
Marcello verzog das Gesicht.
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst. Ich will mich nicht herausreden. Er hat mich nicht betrunken gemacht. Das wäre eine zu billige Entschuldigung. Was geschehen ist, habe ich ganz allein mir selbst zuzuschreiben. Ich habe ihm nichts vorzuwerfen, was ich mir nicht auch selbst ankreiden müsste. Ich war ihm so dankbar für alles und ich will auch gar nicht verhehlen, dass ich irgendwie geblendet war und mich geschmeichelt gefühlt habe, weil er mich so heftig umwarb und weil er immer wieder mit mir zusammen sein wollte. Der Himmel mag wissen, was in meinem einfältigen Kopf vorgegangen ist. Ich begreife es ja selbst nicht. Jedenfalls ist es dann in jener Nacht geschehen – nur dieses eine Mal! Danach bin ich zur Besinnung gekommen und habe mich nicht wieder auf ein Treffen mit ihm eingelassen. Aber meine Besinnung kam zu spät. Und nun muss ich den Preis dafür zahlen.«
»Weiß er davon?«
Sie nickte. »Ich habe es ihm geschrieben – auch dass ich nichts von ihm will und dass ich niemandem sagen werde, wer der Vater meines Kindes ist. Nicht einmal meinem Vater habe ich es anvertraut, aber natürlich hat er sich Gedanken gemacht, als ich ihm letzte Woche endlich gestanden habe, warum mir morgens immer so entsetzlich übel ist. Ich glaube, er grämt sich noch mehr als ich, weil er vermutlich denkt, ich hätte mich an Giuliano verkaufen müssen, um ihn zu retten. Aber so war es ja gar nicht.«
»Dann sag ihm endlich die Wahrheit, damit er sich nicht länger schuldig fühlen muss und endlich wieder seinen Seelenfrieden findet«, sagte Marcello schroff und stand auf.
»Ja, das muss ich wohl tun«, murmelte Fiora beschämt. »So, jetzt weißt du alles, Marcello. Bestimmt wirst du jetzt … jetzt schlecht von mir denken und du und alle anderen, ihr habt auch guten Grund dazu. Aber nimm mir nicht die Hoffnung, dass … dass du mir irgendwann wieder ein Freund sein wirst …« Flehend sah sie zu ihm auf.
»Ein Freund?«, stieß er bitter hervor. »Ich habe dich geliebt, Fiora, und ich habe mich Tag und Nacht nach dir gesehnt! Wie kann ich dir jetzt noch ein Freund sein?«
Erschüttert blickte sie ihn an und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen.
»Und was dein Kind angeht«, sagte Marcello beinahe höhnisch, während er schon zur Tür ging. »So gib dich ja keinen Träumen hin! Auch wenn es illegitim ist, so wirst du es nicht behalten, vor allem dann nicht, wenn es ein Sohn werden sollte. Es wird nie ein Bellisario sein, immer nur ein Medici!«
39
S ie waren zusammen nach Careggi geritten, weil Giuliano ein Schreiben seines Bruders zum dortigen Verwalter bringen wollte. Natürlich war es ein leicht zu durchschauender Vorwand gewesen, denn den Medici standen ganze Heerscharen von Bediensteten zur Verfügung, die solch einen Botengang hätten erledigen können.
Marcello hatte sich angeboten, Giuliano zur Villa zu begleiten, weil es endlich Zeit wurde, dass sie miteinander redeten. In den letzten zwei Wochen, seit er aus Pistoia zurückgekehrt war, hatte Marcello Giuliano gemieden. Er hatte gefürchtet, seine Wut auf ihn nicht beherrschen zu können und sich womöglich zu einer Dummheit hinreißen zu lassen, die er später bitter bereuen würde. Ob Giuliano ihm aus dem Weg gegangen war, weil Scham und Schuldgefühle ihm zusetzten, wusste er nicht zu sagen. Vieles sprach dagegen, nicht zuletzt die Tatsache, dass Marcello ihm nie gesagt hatte, was er für Fiora empfand. Deshalb nahm er an, dass Giuliano ganz einfach mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war oder sich in einem Anfall von Schwermut wieder einmal tagelang in seine Privatgemächer zurückgezogen hatte.
Hinter Marcello lagen die schwersten Tage seines Lebens. Morgens hatte er kaum den Willen aufbringen können aufzustehen, tagsüber war er dann,
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