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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Verschwörer wie aus einem Mund gelobten: »Tod den Medici!«

 
DRITTER TEIL1478

1
    D ie Turmspitzen von Florenz trugen kleine weiße Hauben und auf den Dächern der Häuser lag eine dünne Schicht Schnee, die sich im Morgenlicht wie hauchzarte Seidenschleier ausnahmen. Der Schnee war über Nacht gefallen und auch jetzt noch segelten vereinzelte Flocken vom Himmel herab.
    Marcello begleitete zu dieser frühen Stunde zwei Fuhrwerke, die mit Ziegelsteinen beladen waren und mit knirschenden Rädern über die Ponte alla Carraia rumpelten. Die zotteligen Braunen mussten sich ordentlich ins Geschirr legen, um die schwere Fracht die Brücke hinaufzuziehen. Sie schnaubten und ihr Atem drang wie Dampf aus ihren Nüstern und Mäulern.
    Die Ziegelsteine waren für den Neubau von Santo Spirito bestimmt. Die Kirche war vor einigen Jahren bei einem verheerenden Brand zerstört worden. Es war im März 1471 geschehen, während eines Besuchs von Herzog Galeazzo Maria Sforza. Obwohl der Aufenthalt des Mailänder Herrschers in die Fastenzeit gefallen war, in der jeglicher Luxus und jegliche Völlerei verboten waren, hatte Lorenzo de’ Medici zu Ehren seines Verbündeten und Freundes nicht nur üppige Bankette in seinem Palazzo veranstaltet, sondern auch Pferderennen, Bälle und andere großartige Spektakel. Eine dieser öffentlichen Darbietungen hatte mit einem aufwendigen theatralischen Spiel versinnbildlicht, wie der Heilige Geist in die Kirche Santo Spirito niedergefahren war, die damals gerade erst vom Baumeister Brunelleschi vollendet worden war. Dabei war auch offenes Feuer zum Einsatz gekommen, das in der Nacht der Aufführung außer Kontrolle geraten war und zum Brand geführt hatte. Von der neuen Kirche war nur ein Haufen verkohlter Trümmer übrig geblieben. Das sei Gottes Strafe dafür, weil die Medici die Fastengebote gebrochen hätten, hatte es danach in der Stadt geheißen.
    Marcello konnte sich noch gut an das gewaltige Feuer erinnern, das er mit so vielen anderen Schaulustigen vom anderen Flussufer aus verfolgt hatte. Aber ob nun Strafe Gottes oder einfach nur unentschuldbare Nachlässigkeit der Feuerwerker, der große Brand hatte den Bauleuten der Stadt für Jahre eine Menge Arbeit gebracht – und dem Vater nun einen überaus gewinnbringenden Auftrag. Jede Münze hatte eben ihre zwei Seiten.
    Das Abladen der Ziegel auf dem Bauplatz dauerte eine Weile, die Marcello damit verbrachte, sich mit dem Baumeister über die Fortschritte des Neubaus zu unterhalten. Die Männer arbeiteten zügig, selbst Saccente, der wie Silvio ihm gegenüber seit seiner Übernahme der Ziegelei einen unterschwelligen Groll an den Tag legte und nichts unversucht ließ, auf hinterhältige Art sein Ansehen zu untergraben. Zwar erlaubte er sich keine Widerworte und gab sich beflissen, aber sobald Marcello ihm den Rücken kehrte, stichelte er und warf ihm Knüppel zwischen die Beine, wann immer sich ihm eine Gelegenheit dazu bot. Dass er dabei von Silvio unterstützt wurde, der ihm mit seinem verbitterten, missgünstigen Wesen immer fremder wurde, machte ihm die Leitung der Ziegelei noch schwerer.
    Was Saccente betraf, so war Marcello entschlossen, sich im Frühjahr einen neuen und wirklich tüchtigen Vorarbeiter zu suchen. Er war es leid, sich dessen falsches Grinsen und das sarkastisch untertänige »Ganz wie Ihr meint, Signor Marcello!« anzuhören, mit dem er auf jede seiner Anweisungen antwortete, um dann jedoch zu versuchen, die Ausführung irgendwie zu hintertreiben. Mit Silvio dagegen würde er weiterhin leben müssen, und das war ein hartes Brot. Ein Mühlstein um den Hals hätte ihm das Leben kaum schwerer machen können. Aber der Vater wollte es so, dass Silvio dort draußen blieb. In seiner Härte war er diesmal unerbittlich. Und das war auch der einzige Grund, warum er Silvio nicht beim Vater anschwärzte, sondern seinen Ärger über ihn für sich behielt. Gott allein wusste, was Silvio blühte, wenn der Vater erfuhr, dass sein Enkelsohn sich vor jeder Arbeit zu drücken versuchte, sich ihm gegenüber Respektlosigkeiten herausnahm, auch vor fremden Menschen, und nicht selten schon am frühen Nachmittag im Kontor zur Flasche griff.
    Auf dem Rückweg grübelte Marcello darüber nach, wie er sich von der Leitung der Ziegelei befreien konnte. Er hatte die Arbeit übernommen, weil der Vater es so bestimmt hatte, aber Vergnügen fand er darin wahrlich nicht – nicht nur wegen Saccente und Silvio. Viel lieber hätte er sich auf eine andere

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