Der Pate von Florenz
Wasser über ihn ausgeschüttet. »Ich dachte, du würdest dich freuen, mich endlich wiederzusehen.«
»Ich freue mich ja auch, dass du wieder in Florenz bist«, erwiderte sie, aber ihre Stimme klang seltsam matt. »Nur heute ist es ein bisschen ungünstig.«
Er seufzte. »Nun gut, dann werde ich wieder gehen. Ich möchte natürlich nicht, dass du wegen mir den Teller ruinierst. Ich komme die nächsten Tage mal wieder vorbei. Hoffentlich hast du dann ein bisschen mehr Zeit.«
»Ja, tu das«, murmelte sie, ohne den Blick vom Teller zu heben.
»Willst du nicht hinter mir abschließen?«, fragte er verwundert.
»Lass nur, das mache ich gleich, wenn ich mit dem Zweig fertig bin.«
»Also dann …«, sagte er geknickt und ging.
Während er noch vor dem Haus stand und sich verstört fragte, was er von Fioras kühlem Empfang halten sollte, hörte er, wie hinter ihm der Türriegel vorgeschoben wurde. Fiora hatte also sofort den Treibhammer aus der Hand gelegt und war zur Tür gegangen. Aber warum hatte sie ihn dann nicht begleitet? Was, um alles in der Welt, war auf einmal in Fiora gefahren?
38
M arcello hatte gehofft, ja, er hatte sogar fest damit gerechnet, dass Fiora bei seinem nächsten Besuch wieder so herzlich und gesprächig sein würde, wie er sie kannte und wie er sie vermisst hatte. Aber auch diesmal wurde er enttäuscht. Zwar war sie freundlicher, aber ihr Lächeln wirkte verkrampft, als müsste sie sich dazu zwingen. Auch fiel ihm auf, dass sie seinen Blicken auswich und immer einen Schritt zurücktrat oder sich geschäftig zeigte, wenn er sich ihr nähern wollte. Was er ganz besonders schmerzlich vermisste, war, dass sie ihm gar kein Lächeln mehr schenkte, sondern immer ernst dreinblickte und sich geschäftig gab. Ihm war, als hätte sich ihre einstige Vertrautheit in nichts aufgelöst. Das setzte ihm noch mehr zu als ihre Weigerung, sich wie früher bei einfachen Arbeiten von ihm helfen zu lassen.
Seltsamerweise rief sie dann ihren Vater zu sich in die Werkstatt. Er war erschreckend abgemagert und ging auffällig gebückt, als bereite ihm jeder Schritt Schmerzen. Und auch er schien sich verändert zu haben. Es gab keine Scherze mehr und auch nicht den üblichen Klatsch über die Nachbarschaft und die Politik. Er war sehr schweigsam geworden, und wenn sich sein Blick auf seine Tochter richtete, glaubte Marcello darin eine große Bedrückung, ja sogar einen tiefen, kummervollen Schmerz zu entdecken.
Als er sie nach mehreren derartig verstörenden Besuchen eines Morgens mit blassem Gesicht und verweinten Augen antraf und sie ihn erst gar nicht ins Haus lassen wollte, platzte ihm der Kragen.
»Nein, so geht das nicht weiter, Fiora!« Ungehalten schob er die Tür auf und betrat gegen ihren Willen den Verkaufsraum. Mit einer energischen Bewegung legte er den Riegel vor, drehte sich zu ihr um und sah sie scharf an. »Jetzt will ich endlich wissen, was los ist mit dir!«
»Was soll schon los sein mit mir?«, fragte sie schroff zurück. »Nichts ist mit mir los! Ich schaffe die Arbeit nicht mehr! Und Vater geht es heute gar nicht gut!«
»Komm mir nicht mit diesem Unsinn! Das glaube ich dir nicht! Seit ich zurück bin, hast du kein vernünftiges Wort für mich übrig gehabt, geschweige denn ein freundliches!«, hielt er ihr gekränkt vor. »Da ist doch irgendwas, ich kann es ganz deutlich spüren. Mein Gott, ich kenne dich gar nicht wieder, so sehr hast du dich verändert!«
Sie hastete zurück in die Werkstatt und machte sich am Brennofen zu schaffen. »Ich bin beschäftigt, das siehst du doch.«
Marcello dachte jedoch nicht daran, sich noch einmal derartig abspeisen zu lassen. »Nein, du wirst mir auf der Stelle sagen, was du hast!«, verlangte er. Er zerrte ihr die Aschenschaufel aus der Hand und warf sie wütend in die Holzkiste zu den Schüreisen. »Ich sehe dir doch an, dass du mir irgendetwas verheimlichst. Ich hatte mich so auf dich gefreut. Aber mittlerweile habe ich den Eindruck, es wäre dir lieber, wenn ich gar nicht mehr nach Florenz zurückgekehrt wäre!«
»Das wäre es mir auch!«, stieß Fiora gequält hervor. Sie sank auf den Kohlenkasten und schlug die Hände vors Gesicht. »Bitte geh, Marcello!«, flehte sie ihn unter Tränen an. »Quäl mich nicht mit deinen Fragen! … Ich kann es dir nicht sagen! … Geh und vergiss mich! Bitte! … Ich … Ich schäme mich so!«
Bestürzt sah er sie an und kniete sich vor ihr hin. »Was kannst du mir nicht sagen? Und wessen solltest du dich
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