Der Pate von Florenz
Aufgabe konzentriert, die seinen Neigungen viel mehr entsprach. Sogar die Arbeit in der Wollbottega erschien ihm auf einmal erstrebenswert.
Als der Kutscher das Fuhrwerk, auf dem er mitfuhr, nach links in den Borgo Ognissanti lenkte, fiel Marcellos Blick zufällig auf eine hagere Gestalt, die, gestützt auf einen Gehstock, vor ihm gerade in eine Seitengasse einbog.
Es war Meister Emilio!
Marcello zögerte kurz, dann sprang er vom Kutschbock. »Fahrt weiter, Luigi. Ich komme nach!«, rief er dem Kutscher zu und lief hinter dem Goldschmied her. Schnell hatte er ihn eingeholt.
»Marcello! Sehe ich dich auch mal wieder!« Ein Lächeln trat auf das verhärmte Gesicht des Goldschmieds, als er erkannte, wen er auf einmal an seiner Seite hatte.
Sie blieben stehen.
»Wie geht es Euch, Meister Emilio?«, fragte Marcello, obwohl seine Frage in Wirklichkeit einer ganz anderen Person galt.
»Ach Gott, was soll ich in meinem Alter klagen, Marcello! Es könnte besser sein, aber auch viel schlechter. Die Natur nimmt ihren Lauf, und wenn man in den Winter des Lebens kommt, dann ist es oft nicht allzu erfreulich.«
»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Marcello betrübt. Dass Fioras Vater noch immer an den Folgen der schweren Folter litt, war offensichtlich, nicht nur wegen des Gehstocks, den er als Stütze brauchte. Der Mann war nur noch Haut und Knochen.
»Nein, nein, das muss es nicht! Man soll mit dem zufrieden sein, was man noch hat und kann, statt den besten Mannesjahren nachzutrauern«, versicherte Bellisario und mühte sich um einen munteren Ton. »Hat denn nicht jeder sein Kreuz zu tragen?«
»Ja, so lehren es uns die Kirche und das Leben«, sagte Marcello und dachte, dass so manch leidvolles Kreuz nichts mit dem Lauf der Zeit zu tun hatte, sondern Folge einer Schandtat oder gar selbst verschuldet war.
Es trat eine lange Pause ein. Beide dachten auf ihre Art an Fiora, aber keiner von ihnen wagte es, ihren Namen auszusprechen.
Schließlich gab sich der Goldschmied einen Ruck. »Du warst schon lange nicht mehr bei uns, Marcello. Ich nehme an, dass du davon gehört hast, welch großes Unglück Fiora über sich gebracht hat.«
Marcello nickte. »Es muss Euch hart getroffen haben, Meister Emilio«, erwiderte er und dachte, dass es nicht nur seinem alten Nachbarn so ergangen war. Selbst nach so vielen Monaten, die mittlerweile vergangen waren, hing ihm Fioras Schicksal noch immer nach, und zwar mehr, als ihm lieb war.
»Dann wirst du auch wissen, von wem das Kind ist?«
Marcello nickte nur.
Bellisario seufzte leidgeprüft. »Es ist mir unbegreiflich, wie meine Tochter es so weit hat kommen lassen. Und ich gräme mich jeden Tag, weil sie es wohl getan hat, um mich zu retten. Was gäbe ich darum, wenn sie dem Schicksal nicht auf so unselige Weise ins Rad gegriffen hätte!«
»Das dürft Ihr nicht, Meister Emilio! Eure Tochter liebt Euch. Wie hätte sie tatenlos zusehen können, dass man Euch im Kerker quält und zum Richtplatz führt. Was immer sie getan hat, es geschah aus Liebe zu Euch«, sagte Marcello.
Der Goldschmied seufzte. »Ich weiß, aber es ist doch kein Trost, der mir Seelenfrieden bringt.«
Marcello konnte die Frage nicht länger unterdrücken, die ihm schon vom ersten Augenblick an auf der Zunge gelegen hatte. »Wie geht es ihr denn?«
Ein schwaches Lächeln glitt über Emilio Bellisarios knöchriges Gesicht. »Sie hält sich tapfer, und obwohl ich oft mit ihr schimpfe und sie mahne, sie müsse mehr Rücksicht auf ihren Zustand nehmen, denkt sie einfach nicht daran, sich zu schonen. Sie kommt kaum noch aus der Werkstatt heraus«, sagte er leise. »Sie hat gut zu tun, weil wir in letzter Zeit einige sehr schöne Aufträge erhalten haben.«
Marcello konnte sich denken, von wem sie kamen.
»Aber das ist kein Grund, oftmals die halbe Nacht an der Werkbank zu verbringen«, fuhr der Goldschmied fort. »Zumal wir nicht mehr jeden Soldo dreimal umzudrehen brauchen. Du kannst dir sicherlich denken, dass man sich unserer Verschwiegenheit mit klingender Münze versichert hat.«
Marcello verzog kaum merklich das Gesicht. »Das dürfte für Euch eine Beruhigung sein. Zudem ist es wohl das Mindeste, was Ihr habt erwarten können.«
Bellisario schüttelte den Kopf. »Es mag uns einige Sorgen nehmen, aber dennoch bleibt es schnödes Geld. Und was habe ich davon, wenn mein Enkelkind ein Junge wird und man ihn uns gleich nach der Geburt wegnimmt? Kann ich einen Beutel Goldstücke in den Arm nehmen? Kann ich
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