Der Pate von Florenz
Selbstverständlichkeit. Alles Gute, Fiora.«
»Für dich auch, Marcello«, gab sie leise zurück. Sie schenkte ihm noch einmal ein zaghaftes Lächeln und begab sich dann schnell zu ihrer Tante, die noch immer am Grab verharrte.
Schon nach wenigen Schritten wurde Marcello wütend auf sich selbst, dass ihm zum Abschied nichts Besseres eingefallen war als dieser nichtssagende Allgemeinplatz Das war doch eine Selbstverständlichkeit und dieses noch viel dümmlichere Alles Gute. Als wäre alles in bester Ordnung! Was für eine törichte Gedankenlosigkeit! Er war doch sonst nicht auf den Mund gefallen!
Silvio und Alessio waren schon verschwunden, als Marcello zu seinen Eltern am Ausgang des Friedhofes stieß. Schweigsam gingen sie durch die Gassen. Beim Baptisterium trennte sich die Mutter von ihnen und begab sich nach Hause.
»Nein, begleite mich noch ein Stück«, sagte der Vater, als Marcello sich auf den Weg zur Ziegelei machen wollte. »Ich möchte unter vier Augen mit dir reden.«
Marcello nickte nur. Er ahnte schon, was kommen würde.
»Taddeo Sculetti hat mir geschrieben«, teilte der Vater ihm mit, während sie durch eine Gasse Richtung San Lorenzo gingen. »Unter anderem hat er mich wissen lassen, dass er wegen der Abwicklung einer kleineren Erbschaft seiner Schwester demnächst nach Florenz kommen muss, und er hat angefragt, ob mir sein Besuch kurz nach Ostern genehm sein würde.«
»Mhm«, machte Marcello nur.
»Selbstverständlich ist er mir stets willkommen«, fuhr der Vater fort. »In seinen Zeilen hat er angedeutet, dass sein Besuch nicht nur dieser geringfügigen Erbschaft gilt, sondern dass er dadurch die freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Familien noch fester zu verknüpfen hofft.«
Marcello verzog spöttisch das Gesicht. »Womit er vermutlich ein Parentado meint.«
»So ist es«, bestätigte der Vater. »Letta ist jetzt vierzehn und er denkt, es sei an der Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen, in welche Familie er seine Tochter geben soll. Schon in früheren Briefen hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich glücklich schätzen würde, einen Mann wie dich zum Schwiegersohn zu bekommen. Er hält große Stücke auf dich, Marcello.«
»Aber bestimmt noch mehr auf den Medici-Consigliere Fontana!«
Der Vater zuckte mit den Achseln. »Das versteht sich von selbst. Man legt ein teures Schmuckstück nicht in eine einfache Holzkiste, sondern in eine angemessene Schatulle. Und nun liegt es bei dir, mir zu sagen, wie wir in dieser Angelegenheit vorgehen sollen. Wenn Taddeo Sculetti bei uns eintrifft, wird er ein endgültiges Wort von mir erwarten und ich bin der Meinung, dass das nur recht und billig ist.«
Marcello schwieg. Monatelang war er einer Entscheidung ausgewichen und der Vater hatte ihn auch nicht gedrängt, sondern in Ruhe gelassen. Aber nun hielt er es für an der Zeit, von seinem Sohn eine klare Antwort zu hören, ob er Letta zur Frau nehmen wollte oder nicht.
Was sollte er tun? Er hatte die Entscheidung stets verdrängt oder vor sich hergeschoben und heute, nach der Begegnung mit Fiora, die so viel Schmerzliches, aber auch Sehnsüchtiges in seiner Seele aufgewühlt hatte, fiel sie ihm noch viel schwerer.
Der Vater sah ihn fragend an und wartete auf eine Antwort.
»Ich werde im Sommer erst einundzwanzig, Vater«, antwortete er ausweichend. »Ist es nicht noch zu früh, um in den Stand der Ehe zu treten?« Es war die einzige Ausrede, die ihm noch blieb. Die Männer im einfachen Volk mochten jung heiraten, aber Söhne reicher Kaufleute warteten gewöhnlich, bis sie mindestens Mitte zwanzig waren.
»Taddeo Sculetti wird sicherlich nichts dagegen einzuwenden haben, dass wir die Eheschließung noch ein Jahr oder auch anderthalb Jahre hinausschieben. Das ist nicht unüblich, wie du weißt. Aber das wird uns nicht daran hindern, uns über alles andere handelseinig zu werden«, erwiderte der Vater, der nicht daran dachte, weitere Ausflüchte seines Sohnes hinzunehmen.
Marcello konnte gerade noch ein gequältes Aufseufzen unterdrücken. »Nun gut, dann werde ich Euch Ostern sagen, ob ich Letta zur Frau nehmen möchte«, sagte er und bat damit um einen letzten kurzen Aufschub.
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus und Marcello fürchtete schon, der Vater würde hier und jetzt auf einem klaren Wort bestehen.
Aber dann nickte er knapp. »Meinetwegen. Aber dann erwarte ich von dir, dass du dein Zaudern überwunden hast. Du musst endlich begreifen, wie vorteilhaft
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