Der Pate von Florenz
Ich werde Fiora nicht verraten … niemals! … Lieber verdurste ich und sterbe!«
Letta und ihre Familie verschwanden vor seinen Augen und auf einmal umgab ihn fröstelnd kalte Dunkelheit. Irgendwo in weiter Ferne flackerte ein winziger Lichtschein.
Jemand rüttelte ihn sanft an der Schulter. »Marcello, du musst trinken!«
Er versuchte, die Hand wegzuschieben. »Nein, ich bleibe Fiora treu!«, keuchte er und wand sich verzweifelt unter der Hand, die einfach nicht von ihm ablassen wollte. »Ich werde sie nicht aufgeben, um keinen Preis der Welt … Ich habe ihr mein Wort gegeben und ich werde es halten … bis in den Tod!«
Stille.
Schwärze.
Hitze.
Etwas herrlich Kaltes und Feuchtes legte sich auf seine heiße Stirn. Er schluchzte auf, als Wasser auf seine Lippen tropfte und er den Mund öffnete, weil das Verlangen nach mehr unbezwingbar war. Er trank in gierigen Schlucken und stammelte dazwischen immer wieder: »Verzeih mir, Fiora … Verzeih mir!«
»Es gibt nichts zu verzeihen«, antwortete eine vertraute Frauenstimme. »Trink und werde gesund, dann wird alles gut werden.«
Die Schwärze um ihn herum riss auf wie die dunkle Wolkendecke nach einem plötzlichen Sommergewitter. Mühsam öffnete er die Augen und zum ersten Mal, seit er am Ostersonntag im Palazzo der Medici in eine tiefe Ohnmacht gesunken war, nahm er seine Umgebung wahr, aber auch den heißen, pochenden Schmerz in seiner linken Seite.
Er lag in einem Zimmer mit holzgetäfelten Wänden und einem farbigen Deckenfresko. Es war ihm fremd und es verriet ihm, dass er sich wohl noch immer in Lorenzos Palast befand. Als er rechts von sich ein raschelndes Geräusch vernahm, drehte er den Kopf zur Seite, was ihm seltsamerweise nur mit größter Mühe gelang. Sein Blick fiel auf seine Mutter, die auf der Bettkante saß und sich mit einem Becher in der Hand zu einem Beistelltisch vorgebeugt hatte, auf dem ein irdener Krug und eine flache Waschschüssel standen. Neben der Schüssel lagen saubere Tücher.
»Habt Ihr noch etwas Wasser, Mutter?«, stieß er mit schwacher und kratziger Stimme hervor. Er verstand überhaupt nicht, warum ihn selbst das Sprechen Kraft kostete und warum diese wenigen Worte ihn so anstrengten, als hätte er seinem Körper eine kräftezehrende Leistung abverlangt.
Seine Mutter Carmela erschrak und fuhr zu ihm herum. Der Ausdruck von Angst und Kummer, der ihr blasses und übernächtigtes Gesicht eben noch geprägt hatte, wich überschwänglicher Freunde.
»Marcello! Endlich, mein Sohn! … Endlich bist du wieder bei uns, Marcello!«, rief sie. In ihren Augen standen Tränen der Erlösung und der Dankbarkeit. »Wie haben wir um dich gebangt und gebetet, dass dich das fürchterliche Fieber nicht dahinrafft! Du warst dem Tode so entsetzlich nahe. Und für so lange Zeit! Es waren die schlimmsten Wochen meines Lebens. Jetzt musst du mir versprechen, schnell gesund zu werden.« Dann füllte sie rasch den Becher auf und gab ihm zu trinken.
Marcello leerte zwei Becher, so durstig war er. Dann wollte er seine Mutter fragen, wie lange er denn schon das Krankenbett hütete. Aber dazu fehlten ihm die Kraft und der Wille. Einen Gedanke jedoch schaffte er auszusprechen, wenn auch nur stockend und mit großer Anstrengung.
»Fiora … Wie … geht … es Fiora?«
Seine Mutter legte ihm die Hand auf die Wange und lächelte ihn beruhigend an. »Sorge dich nicht um Fiora, mein Sohn. Es geht ihr gut. Und wenn du versprichst, rasch gesund zu werden, dann verspreche ich dir, dass ich bei deinem Vater für euch beide eintreten werde mit allem, was in meiner Macht steht.«
Sein Blick war eine einzige hoffnungsvolle Frage.
Carmela nickte ihm zu und lächelte. »Ja, ich weiß, wie viel Fiora dir bedeutet und wie sehr du dir wünschst, sie zur Frau zu nehmen«, sagte sie. »Jeden Tag und jede Nacht, die ich hier an deinem Bett verbracht habe, hast du von ihr gesprochen und nach ihr gerufen. Dein Vater wird zwar Einwände erheben, wenn er von deinem Wunsch erfährt, aber ich werde dir zur Seite stehen und tun, was ich kann, um ihn zum Einlenken zu bewegen. Doch jetzt genug davon. Lass uns darüber sprechen, wenn du wieder bei Kräften bist.«
Er nickte kaum merklich, erfüllt von Dankbarkeit und Zuversicht. Dann fielen ihm die Augen wieder zu und er sank in einen tiefen, ruhigen Schlaf.
15
S andro Fontana schauderte, als einer von Lorenzos Leibwächtern ihn in den feuchten, kalten Folterkeller führte und er den Mann am Strappado hängen sah. Wie
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