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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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leblos hing der Körper am Strick. Doch dass der Mann noch lebte, verriet sein rasselnder Atem. Nach den Qualen, die hinter ihm lagen, bot er ein Bild des Erbarmens. Aber auf Gnade würde jeder, der auch nur irgendwie in das Komplott der Pazzi und Salviati gegen die Medici verwickelt gewesen war, vergeblich hoffen. Und dieser Mann gehörte zum Kreis der Verschwörer. Sonst wäre er nach dem gescheiterten Umsturz wohl kaum aus der Stadt geflohen.
    Lorenzo stand mit ausdruckslosem Gesicht und vor der Brust verschränkten Armen an einem einfachen Stehpult, an dem gewöhnlich ein Schreiber die Aussagen des Gefolterten Wort für Wort protokollierte. Auf der abgeschrägten Schreibplatte lagen mehrere beschriebene Blätter. Lorenzo hatte den Schreiber ebenso aus dem Kerkergewölbe geschickt wie den Folterknecht Badolo.
    Mit einem unguten Gefühl ging Sandro an der Streckbank vorbei zu seinem Herrn, der in seiner ebenso kostbaren wie eleganten Kleidung in diesem Kerker so fehl am Platz wirkte wie ein dreckiger Tagelöhner auf einem höfischen Ball. Dass Lorenzo sich persönlich in die Folterkammer begeben hatte, in der sich die Gerüche von Pech, rußigem Rauch, Moder, Schweiß, Blut, Urin und Fäkalien zu einem ganz eigenen ekelhaften Gestank verbanden, war allein schon ungewöhnlich genug. Aber dass er ihn, seinen Consigliere, zu dieser frühen Morgenstunde ausgerechnet an diesen Ort zu sich gerufen hatte, verstörte und beunruhigte Sandro.
    Lorenzo hatte ihn gewiss nicht in die Folterkammer bestellt, um mit ihm in diesem stinkenden Gewölbe über seinen gnadenlosen Rachefeldzug gegen die Pazzi und deren Komplizen zu reden. Dass die Regierung in seinem Auftrag die Familie und das rivalisierende Bankhaus vernichten und sogar den Namen und alle Symbole der Pazzi restlos aus sämtlichen öffentlichen Dokumenten und Denkmälern tilgen würde, war nicht nur beschlossene Sache, es wurde schon längst mit unerbittlicher Härte ausgeführt. Und ebenso unwahrscheinlich war es, dass Lorenzo ihm mitteilen wollte, er habe sich den wiederholt geäußerten Rat seines Consigliere doch noch zu Herzen genommen und beschlossen, den jungen Kardinal Riario nicht länger als Geisel im Palast der Signoria festzuhalten, sondern ihn endlich freizugeben und nach Rom ziehen zu lassen. Dass Papst Sixtus, der angeblich einen Tobsuchtsanfall bekommen hatte, als er vom gescheiterten Mordanschlag erfahren hatte, mittlerweile mit einem Interdikt 1 gegen Florenz und mit der Exkommunikation des Medici drohte, schien Lorenzo leider nicht zu beeindrucken.
    Und doch musste es einen triftigen Grund geben, warum Lorenzo sich offenbar noch vor Morgengrauen an diesen grässlichen Ort begeben hatte und ihn ausgerechnet im Angesicht dieses entsetzlich gefolterten Mannes sprechen wollte.
    »Ihr habt nach mir geschickt, Magnifizenz.« Ein fragender Unterton schwang in seiner Stimme mit. Sein Blick lag forschend auf dem Gesicht des Medici, das seit dem Mord an seinem Bruder härtere Züge bekommen hatte. Er sah müde aus. Wie es hieß, schlief er seit dem Tod seines Bruders nur noch wenige Stunden in der Nacht.
    Lorenzo nickte. Sein blasses Gesicht blieb unbewegt. Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns fand sich in den Mundwinkeln. Lange stand er schweigend da. Dann fragte er unvermittelt: »Wie geht es Eurem Sohn? Ich hoffe, seine Genesung macht weiterhin gute Fortschritte.«
    »Das tut sie, dem Himmel sei Dank«, bestätigte Sandro. Vor zwei Tagen hatten sie es endlich wagen können, Marcello auf eine Trage zu legen und ihn aus dem Palazzo der Medici ins eigene Haus zu bringen. »Wenn er auch weiterhin so gute Fortschritte macht, wird er schon bald das Bett verlassen können.«
    »Das freut mich zu hören. Marcello hat im Dom große Tapferkeit und Entschlossenheit bewiesen. Ihr könnt stolz sein auf ihn, Sandro Fontana. Er hat Euch und dem Namen Eures Hauses alle Ehre gemacht«, sagte Lorenzo anerkennend. »Wenn er wieder bei Kräften und auf den Beinen ist, werde ich ihm persönlich meinen Dank zollen.«
    Sandro neigte den Kopf. »Ich weiß Eure Worte zu schätzen, Magnifizenz. Aber ich nehme nicht an, dass Ihr so früh am Morgen nach mir geschickt habt, um mir das zu sagen.«
    »Ihr habt recht. Ich bedaure, falls mein Bote Euch aus dem Bett geholt hat, Consigliere. Aber diese Angelegenheit duldet leider keinen Aufschub. Zudem bin ich es Euch schuldig, dass Ihr von mir und von niemandem sonst über alles in Kenntnis gesetzt werdet, was die peinliche Befragung

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