Der Pate von Florenz
Söhne geschenkt, was den Kummer über den Verlust seines ersten Sohnes Jacopo in seinem Herzen zwar nicht geheilt, aber doch ein wenig gemildert hatte.
»Bleibst du oder musst du gleich weiter?«, fragte sie. »Ich könnte Lorenda rufen, damit sie uns eine Portion pinocchiato bringt. Sie ist gerade fertig geworden damit. Du magst ihren Pinienkernpudding doch so sehr.« Voller Hoffnung sah sie ihn an.
»Lorenda hat endlich mal wieder Pinocchiato gemacht?« Laut aufseufzend ging Sandro die Treppe hoch. Mit der schielenden und beinahe zahnlosen Köchin hatte seine Frau einen ausgezeichneten Griff getan. »Warum hast du mir das bloß verraten, Carmela? Ausgerechnet jetzt, wo ich keine Zeit habe, mich über diese Köstlichkeit herzumachen! Ich bin nur auf einen Sprung hier, weil ich heute Morgen wichtige Papiere in meinem Studiolo vergessen haben. Und die brauche ich, weil ich gleich mit Spinelli einige dringende Angelegenheiten besprechen muss, bevor später der Einkäufer aus Lyon kommt und sich die Ballen ansieht.« Gonzo Spinelli war der Erste Faktor in Sandros Wollbottega, ein fähiger Mann, dem er die Leitung des alltäglichen Geschäftes übertragen hatte. Seit gut fünfzehn Jahren lag sie in seinen zuverlässigen und treuen Händen.
»Schade«, bedauerte Carmela.
Sandro stutzte. Ihr Lächeln wirkte heute ein wenig angespannt. Hatte sie etwas auf dem Herzen, das sie gern in aller Ruhe mit ihm besprochen hätte, und zwar jetzt gleich? »Bedrückt dich etwas?«
Sie zögerte, sah ihn um Nachsicht bittend an und sagte schließlich leise: »Silvio ist zurück.«
Schlagartig legte sich ein grimmiger Ausdruck auf Sandros Gesicht. »So, ist er das! Und warum erfahre ich das erst jetzt?«, fragte er ungehalten.
»Hast du vergessen, wie spät es war, als du gestern von Cafaggiolo zurückgekommen bist, und dass du heute schon in aller Herrgottsfrühe wieder aus dem Haus musstest?«, fragte sie ruhig zurück. »Hätte ich es dir zwischen Tür und Angel zurufen sollen?«
»Du hast recht. Ich war wirklich sehr in Eile. Verzeih meinen dummen Vorwurf.« Er holte tief Luft und schlug mit der Faust auf die Brüstung. »Sieh an, Silvio wagt sich also endlich unter meine Augen! Mit seiner Rückkehr hat er sich ja wirklich sehr viel Zeit gelassen. Ist er in seinem Zimmer?«
Carmela schüttelte den Kopf. »Er wollte nicht hier auf dich warten, deshalb ist er mit Alessio und Marcello zur Arbeit in die Bottega gegangen.«
Sandro lachte auf. »Zur Arbeit? Das wäre ja ganz was Neues! Er vertraut doch nur darauf, dass ich in Hörweite meiner Arbeiter und Faktoren sanfter mit ihm umgehe als in meinen eigenen vier Wänden!« Er schüttelte den Kopf. »Du hättest darauf bestehen sollen, dass er hier auf meine Rückkehr wartet. Aber wenn er glaubt, dass er in der Bottega glimpflicher davonkommt, dann hat er sich gründlich geirrt!«
Carmela legte ihm eine Hand auf den Arm. »Geh nicht zu hart mit ihm ins Gericht«, bat sie.
Er brummte irgendetwas Unverständliches und ging mit gesenktem Kopf hinüber in sein Arbeitszimmer. Die Tür ließ er weit offen stehen.
Und so sah Carmela nicht nur, wie er zwei mit Siegelbändern versehene Schreiben von seinem Schreibtisch nahm, sondern auch dass er danach noch vor dem kleinen Ölbildnis verharrte, das auf der Tischplatte stand, halb verdeckt hinter ledergebundenen Rechnungsbüchern. Es zeigte das Porträt einer jungen schwarzhaarigen Frau. Sandro hatte nie ein Wort darüber verloren, um wen es sich bei der jungen Schönen handelte. Aber das war auch nicht nötig gewesen. Carmela wusste auch so, dass es seine erste Frau Tessa zeigte. Der tiefe Schmerz von damals war längst von seinen Zügen gewichen, und wenn er nun hin und wieder für einige gedankenschwere Augenblicke in der Betrachtung ihres Bildes versank, fürchtete sie nicht mehr wie einst, dass er übermannt wurde von Sehnsucht nach ihr, wie es zu Beginn ihrer Ehe gewesen war. Sie hatte gelernt, dass sein Herz groß genug war für eine neue, zweite Liebe, wie sie auch verstanden hatte, dass die Liebe zu Tessa immer gegenwärtig sein würde in ihm.
Als Carmela beobachtete, wie Sandro die Hand nach dem kleinen Ölgemälde ausstreckte und es zärtlich mit den Fingerspitzen berührte, wandte sie sich ab und entfernte sich schnell.
Diese Geste der Zärtlichkeit beunruhigte sie. Doch die Sorge betraf nicht sie selbst, sondern Silvio. Denn so innig, wie Sandro seine erste Frau geliebt hatte, so innig liebte er auch seinen Enkel, den er
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