Der Pate von Florenz
Zeichnungen von Bechern und Schalen unterschiedlichster Form und Ausführung. Langsam blätterten sie die Zeichnungen durch.
Der Talglichtzieher fand schnell eine Form, die ihm zusagte. »So einen Becher wie diesen hier möchte ich«, sagte er und tippte auf eine Zeichnung, die einen Kelch mit einem schlanken Stiel und einem stufig gearbeiteten Fuß zeigte. »Aber er soll die vier Evangelisten zeigen.«
In diesem Augenblick trat der Goldschmied durch die Tür. Er trug eine rußbefleckte Lederschürze und dicke Lederhandschuhe. Auch er beglückwünschte Panetti zur Geburt seines gesunden Enkelsohnes und Stammhalters und entschuldigte sich, dass er ihn habe warten lassen.
»So, Ihr wollt den Becher also mit den Bildnissen der vier Evangelisten geschmückt haben. Nun, dann müsst Ihr mir sagen, ob Ihr sie als Relief aus dem Silber getrieben wollt oder einziseliert«, betonte der Goldschmied. »Einziseliert wird es Euch preiswerter kommen, aber prächtig sieht es auf jeden Fall aus, das versichere ich Euch. Also ich persönlich hege eine große Vorliebe für diese Art der bildlichen Darstellung.«
Fiora vermied es, ihren Vater anzublicken. Sie wusste, warum er versuchte, den Talglichtzieher für diese Ausführung der Evangelisten zu gewinnen, denn das Ziselieren war um einiges einfacher, als Bildnisse aus dem Silberblech zu treiben.
Tinoro Panetti zögerte kurz und nagte unschlüssig an der Unterlippe. »Nein, ich will sie getrieben haben, Meister Emilio. Es ist schließlich mein erster Enkelsohn, und das will ich mir etwas kosten lassen.«
»Ganz wie Ihr wünscht«, sagte ihr Vater mit einem kaum merklichen Seufzen und Fiora spürte den verstohlenen Seitenblick, den er ihr zuwarf, während er das Musterbuch zuklappte.
»Würdet Ihr so nett sein und mir anhand einer kleinen Zeichnung zeigen, wie der Taufbecher mit den Evangelisten aussehen wird?«, bat der Talglichtzieher.
Ihr Vater räusperte sich, während Fiora Papier und Zeichenstift aus der Schublade unter der kurzen filzbespannten Ladentheke hervorholte. »Ihr entschuldigt, dass ich dazu im Augenblick nicht in der Lage bin. Ich habe einfach zu viel Ruß und Kohlenstaub an meinen Händen«, sagte er und hob die lederbehandschuhten Hände hoch, ließ sie aber gleich wieder sinken, sodass der Talglichtzieher sie nicht mehr sehen konnte. »Aber wenn Ihr nichts dagegen habt, wird meine Tochter Euch kurz skizzieren, wie Euer Taufbecher aussehen wird. Sie ist mit meiner Arbeit so vertraut wie niemand sonst.«
»So, du verstehst dich auch auf das Zeichnen?«, rief der Taglichtzieher überrascht. »Nur zu, nur zu! Mir soll es recht sein.«
Panetti staunte nicht schlecht, als Fiora mit geübter, sicherer Hand den Stift über das Papier führte und im Handumdrehen zuerst die Umrisse des Bechers entstehen ließ und dann in das freie Feld hinein einen Evangelisten in einem langen Gewand mit reichem Faltenwurf skizzierte. Dass es sich dabei um den Evangelisten Lukas handeln sollte, verdeutlichte sie an dem ihm zugeordneten Symbol, dem geflügelten Stier.
»Heilige Jungfrau! Das nenne ich eine gelungene Zeichnung!«, entfuhr es dem Talglichtzieher. Er war verblüfft und beeindruckt zugleich. »Du hast wohl das Talent deines Vaters geerbt.«
»Ich habe schon als Kind gern gezeichnet und meinem Vater bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Aber so gut wie er werde ich wohl nie werden«, antwortete sie bescheiden. Dennoch freute sie sich über das Lob.
»Welch eine Schande, dass du damit nichts anfangen kannst, wo du doch bestimmt bald heiraten wirst und deine Tage mit viel nützlicheren Arbeiten ausgefüllt sein werden, die sich für eine Frau geziemen«, sagte Tino Panetti und fügte, an ihren Vater gerichtet, bedauernd hinzu: »Was hätte aus dem Kind werden können, wenn der Herrgott es als Junge hätte zur Welt kommen lassen, Meister Emilio! Dann hättet Ihr jetzt gewiss einen tüchtigen Gesellen an Eurer Seite, der Eure Nachfolge antreten könnte. Aber nun ja, die Welt bedarf ja auch des weiblichen Geschlechtes.«
Fiora senkte den Blick. Wenn du wüsstest, wer deinen Taufbecher aus dem Silberblech treiben wird …
Der Preis für das Gefäß war schnell ausgehandelt.
»Die vier Evangelisten aus dem Silber zu treiben wird ein schweres Stück Arbeit für dich werden«, sagte der Vater mit sorgenvoller Miene, nachdem Tinoro Panetti gegangen war und sie in die Werkstatt zurückgekehrt waren. Müde sank er auf das Klappbett, denn auch wenn das Nervenelixier half,
Weitere Kostenlose Bücher