Der Pate von Florenz
fiel Lorenzo ihm ins Wort, »aber beizeiten werden neue profitable Geschäftszweige dazukommen. Wir sind keine kleinen Krämer, Sandro. Unser Marktplatz ist die große Welt.« Er machte eine kleine Pause, damit Sandro seinem Hinweis auch die gebotene Aufmerksamkeit schenkte. »Aber es ist gut, dass Ihr ein Auge darauf habt. Und wenn es Euch beruhigt, dann werde ich bei Gelegenheit mit Francesco Sassetti darüber reden. Dabei wollen wir es heute belassen, Consigliere, denn wie Ihr nur zu gut wisst, gibt es jetzt wichtigere Dinge, denen ich meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken muss.«
Damit war Sandro Fontana entlassen.
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1 Siehe dazu Die Medici-Chroniken Band 1: Der Hüter der Macht
2 Mauerwerk aus roh behauenen Quadersteinen
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V erärgert, aber auch bedrückt machte sich der Consigliere auf den Weg zu seinem Haus in der Via di Mezzo. Er konnte einfach nicht verstehen, dass Lorenzo sich so gar nicht für die Bankgeschäfte interessierte, auf denen die Macht und das Ansehen des Hauses Medici gründeten. Er hatte noch immer nicht begriffen, dass er mit dem Tod seines Vaters ein kränkelndes Finanzimperium übernommen hatte. Doch anstatt es wieder auf solide Beine zu stellen, hatte er zugelassen, dass die Lage mit jedem Jahr kritischer geworden war.
Lorenzo lebte in der unerschütterlichen Zuversicht, dass die Geldströme auch unter seiner Regentschaft nicht versiegen würden, schließlich konnten die Medici doch schon seit Generationen aus einem unermesslichen Reichtum schöpfen. Und darum sollten sich gefälligst die Direktoren seiner Banken und Niederlassungen kümmern. Was ihn interessierte, waren Machtpolitik und die Kunst, allen voran die Philosophie der antiken Denker und die Literatur .
Dass es so gekommen war, konnte man Lorenzo aber nur zu einem Teil anlasten. Während sein Vater Piero wenigstens halbwegs Interesse an den Finanzgeschäften gezeigt hatte, war Lorenzo von Kindesbeinen an dazu erzogen worden die hohe Kunst der Politik und der geschliffenen Diplomatie zu erlernen. Seine Ausbildung war die eines Prinzen gewesen. Niemand hatte es für nötig erachtet, ihn oder wenigstens Giuliano mit den vielschichtigen Gepflogenheiten internationaler Bankgeschäfte vertraut zu machen. Lorenzo wusste so gut wie gar nichts über die Fallen, die im Wechselgeschäft lauerten, und vermutlich hatte er noch nie einen avviso in den Händen gehalten, der den Wechselkurs einer fremden Währung zu einem festgelegten Zeitpunkt enthielt.
Sein Großvater Cosimo war noch viele Stunden täglich in seinem Kontor damit beschäftigt gewesen, derartige Schreiben aus den vielen Niederlassungen und von den Handelsagenten in aller Welt zu lesen. Die darin enthaltenen wertvollen Informationen waren neben seinem ausgeprägten Sinn für gewinnbringende Geschäfte die Grundlage für seinen unaufhaltsamen Aufstieg zum reichsten Bankier der Christenheit gewesen. Und während Cosimo jährlich Tausende von Avvisi und Geschäftsbriefen erhalten und eine ebenso große Zahl hinausgeschickt hatte, verbrachte Lorenzo ebenso viele Stunden damit, politische Depeschen zu lesen und selbst zu verfassen. Über seinen Schreibtisch und den seines Sekretärs wanderte eine unaufhörliche Flut von Briefen aus der Feder von florentinischen Gesandten und Geheimagenten, von Stadträten und Provinzgouverneuren, von Königen und Fürsten, von Päpsten, Kardinälen und Bischöfen und von Söldnerführern. Dazu kam der Briefwechsel mit Gelehrten und Freunden.
Und schließlich war er auch noch der Pate von fast ganz Florenz, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Patenschaft erschöpfte sich nämlich nicht nur in der üblichen Gewährung von Gefälligkeiten, Empfehlungen und anderen Freundschaftsdiensten, wie es zur Rolle eines jeden einflussreichen Patrons gehörte. Er war darüber hinaus auch der gran sensale von Florenz, der große Vermittler und Makler, der bei so gut wie jeder Eheschließung in den Reihen der reichen und vornehmen Bürgerschaft seine Hände im Spiel hatte, der Verbindungen schuf und unterstützte, damit sie den Interessen der Medici nützten, und der solche zu verhindern wusste, die zu einer Gefahr werden konnten. Denn der parentado, die Verschwägerung von zwei einflussreichen Familien, gehörte zu den altbewährten und verlässlichen Methoden, das eigene Geflecht aus wichtigen politischen und geschäftlichen Beziehungen zu verdichten und auszuweiten. Deshalb stammte auch so manche hohe Mitgift aus den Geldtruhen der Medici,
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