Der Pate von Florenz
sollte es der Familie der Braut an den notwendigen finanziellen Mitteln fehlen. Dies war ein weiterer Geldstrom, der aus den Kassen der Medici floss und der mit dazu beitrug, dass die Bank langsam, aber sicher ausblutete. Ja, es gab so manches, was ihm als lang gedientem Consigliere an der Art, wie Lorenzo das Haus Medici führte, nicht gefiel. Aber er wollte nicht ungerecht sein. Der junge Herr hatte auch seine Stärken. Lorenzo mochte jeglicher kaufmännischer Geschäftssinn fehlen, aber dafür war sein politisches Gespür feiner als das jedes anderen, den er kannte. Auch seine rasche Auffassungsgabe und sein diplomatisches Geschick waren überragend, das mussten ihm sogar seine Feinde zubilligen. Dasselbe traf auf seine Liebenswürdigkeit und seine Galanterie zu, die man bei einem Mann von derart mangelnder äußerlicher Anmut nicht erwartet hätte und die er einzusetzen verstand wie eine Waffe. Sie wirkten nicht nur auf das weibliche Geschlecht. Selbst Herrscher, die der Republik Florenz übel gesonnen waren, so etwa König Ferrante von Neapel, mussten vor seiner gewinnenden Ausstrahlung kapitulieren.
Diese außergewöhnlichen Talente hatte Lorenzo schon im Alter von fünfzehn Jahren unter Beweis gestellt, als man ihn als Gesandten der Medici und damit der Stadt Florenz an europäische Fürstenhöfe geschickt hatte. Seine ausgeprägte Liebenswürdigkeit, gepaart mit einer ungezwungenen Nähe zum Volk, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er wusste die Massen zu begeistern, indem er auf seine Kosten großartige Feste und Wettkämpfe ausrichtete.
Auch förderte er die Künste, gab bei Bildhauern und Malern Skulpturen, Fresken und Gemälde in Auftrag und erlaubte der Öffentlichkeit, sie zu bewundern. Auf diese Weise sorgte er dafür, dass die Florentiner stolz sein konnten auf ihre Stadt. Und sosehr er mit seinen lyrischen Neigungen, mit der Schwärmerei für höfisch-ritterliche Bräuche und im Kreis seiner gelehrten Philosophen den Eindruck erweckte, ein Träumer zu sein, so war er trotz allem und in erster Linie ein Mann der Tat, ausgestattet mit einem untrüglichen politischen Instinkt.
Während Sandro in die Via di Mezzo einbog, wanderten seine Gedanken zur angespannten politischen Lage in Norditalien. Welche Folgen würde sie wohl für Lorenzo haben? Er war zum Gefangenen seiner eigenen Macht geworden. Zu groß war die Schar an reichen Kaufleuten, Großgrundbesitzern, Rittern, Politikern und Doctores geworden, die ihr Schicksal unauflöslich mit dem der Medici verbunden hatten, und das galt auch für ihn, Sandro Fontana, und seine Familie. Für sie alle standen nicht nur Ansehen, Regierungsämter und Geld auf dem Spiel, sondern auch Leib und Leben. Denn wann immer es in der Vergangenheit einen Umsturz in Florenz gegeben hatte, waren viele der Entmachteten verbannt oder gar hingerichtet worden.
Sandro schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel, während er seinen Palazzo betrat. Gebe Gott, dass Lorenzo auch in dieser kritischen Lage sein politisches Geschick bewies!
Sandro war stolz auf das Haus, das er vor einigen Jahren für immerhin fast sechstausend Goldflorin hatte erbauen lassen. Für einen Mann, der vor fünfzig Jahren mit nur einer Handvoll Piccioli in seine Geburtsstadt zurückgekehrt war, hatte er allen Grund, mit seinem Lebenswerk mehr als nur zufrieden zu sein. Er genoss nicht nur hohes Ansehen als Consigliere der Medici, er hatte sich mit seiner sehr einträglichen Wollbottega und anderen Unternehmen auch als erfolgreicher Geschäftsmann bewiesen.
Carmela musste seine Stimme gehört haben, als er unten an der Treppe ein paar Worte mit dem Hausdiener Antonio gewechselt hatte, denn sie erwartete ihn oben an der Treppe, die ins erste Stockwerk hinaufführte. Sein Gesicht hellte sich auf, als er ihre anmutige Gestalt an der Brüstung zwischen zwei Rundbögen erblickte, die sich zum kleinen Innenhof öffneten.
Auch mit ihren nun sechsunddreißig Jahren war sie noch immer eine Frau von unaufdringlicher, natürlicher Schönheit. Ihr stilles und sanftmütiges Wesen spiegelte sich auch in ihren weichen Gesichtszügen und in der Warmherzigkeit ihrer Augen wider. Nicht einen Tag lang hatte er bereut, dass er sie anderthalb Jahre nach dem Tod seiner geliebten Tessa zur Frau genommen hatte. Er hatte eigentlich nur eine Mutter für seinen so jung verwaisten Enkelsohn Silvio gesucht, doch mit Carmela hatte er ganz unerwartet eine neue Liebe gefunden. Auch hatte sie ihm mit Alessio und Marcello zwei prächtige
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