Der Pate von Florenz
Fiora zum Abschied und lächelte ihn an. »Einen so tüchtigen Gehilfen wie dich können wir jederzeit gebrauchen.«
»In Ordnung! Und über meinen Lohn sprechen wir dann beim nächsten Mal!«, scherzte er.
Nachdem Marcello gegangen war und Fiora hinter ihm die Tür verriegelt hatte, sagte der Vater hinter ihr: »Ein prächtiger Bursche, dieser Marcello! Der hat das Herz auf dem richtigen Fleck.« Und mit tiefem Bedauern fügte er hinzu: »Zu schade, dass er ein Fontana ist …«
15
N ach dem Essen im elterlichen Palazzo ging Marcello noch einmal in die Stadt. Anders als seinem Bruder war ihm nach ein paar Bechern Wein und nach lustiger Gesellschaft zumute. Er hatte noch Vaters harte Worte im Ohr, mit denen er auf die vorsichtig vorgebrachte Frage der Mutter reagiert hatte, ob er denn Silvio nicht wenigstens zum Schlafen wieder ins Haus zurücklassen wolle.
»Das kommt überhaupt nicht infrage!«, hatte der Vater aufgebracht geantwortet. »Er bleibt draußen in der Ziegelei, so wie ich es verfügt habe! Da hat er Zeit und wahrlich Anlass genug, um sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie er fortan sein Leben führen will und was man von ihm als einem Fontana an ehrenvollem Verhalten erwarten kann.«
Alessio hatte genickt und Marcello leise zugeraunt: »Hoffentlich bleibt er noch lange so hart! Soll Silvio ruhig ein ganzes Jahr oder noch länger dort draußen versauern! Das hätte er verdient!«
»Aber Marcello sagt, wie abscheulich diese Hütte ist, in der er mit …«, hatte die Mutter einen letzten zaghaften Einwand gewagt.
Der Vater hatte ihr sofort das Wort abgeschnitten. »Ich weiß, wie es dort aussieht! Aber das lässt sich ertragen, wenn man Manns genug ist und die Zähne zusammenbeißt. Und sagt nicht, ich wüsste nicht, was das für ein Leben ist! Bevor ich hier mein Glück gemacht habe, das mir wahrlich nicht in den Schoß gefallen ist, bin ich jahrelang über die Landstraßen gezogen und hätte mich in mancher Nacht bei Wind und Wetter gefreut, wenn ich auf solch eine Unterkunft gestoßen wäre!«
Alessio hatte die Augen verdreht und Marcello einen vielsagenden Blick zugeworfen, so als hätte er sagen wollen: »Die alten Geschichten kennen wir inzwischen zur Genüge!«
»Aber um Eure mütterliche Sorge zu beruhigen, die Euch ehrt, Carmela«, hatte der Vater dann in versöhnlichem Ton hinzugefügt, »sollt Ihr wissen, dass ich beabsichtige, auf dem Gelände ein neues Haus errichten zu lassen, sowie das Wetter es erlaubt und die Ziegelei richtig arbeitet. Ich werde dort ein solides fondaco brauchen, wenn die Geschäfte anlaufen. Und in diesem Kontor wird es auch eine Unterkunft für Silvio geben, über die er sich dann nicht mehr wird beklagen können. Aber ich will nicht, dass irgendeiner von euch Silvio gegenüber auch nur ein einziges Wort darüber verlauten lässt! Haben wir uns verstanden? Gut! Das werde ich ihm selbst mitteilen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Ich denke, irgendwann nach Ostern …«
Marcello war sich unschlüssig, zu welcher Taverne er seine Schritte lenken sollte. Er war schon lange nicht im Lumaca am Mercato Vecchio gewesen, das zu den ehrbaren Gasthäusern der Stadt zählte. Aber das Bertucce bei San Martino und das Moro in San Piero hatten auch ihre Vorzüge. An Schenken mangelte es wahrlich nicht in Florenz. Ihre Zahl war mindestens so hoch wie die der Kirchen und Klöster.
Einer spontanen Eingebung folgend, entschloss er sich, mal wieder der Schenke Michel del Bello an der Porta della Croce einen Besuch abzustatten. Es war eine der Tavernen, in der überwiegend poverini, arme Schlucker, und scioperati, einfaches Volk, das keiner Gilde angehörte, aus dem Färberviertel verkehrten. Dort ging es immer sehr fröhlich zu. Mal sehen, ob er dort auf ein bekanntes Gesicht traf.
Wenig später ging Marcello durch die dunklen Straßen von Santa Croce. Aus den Abwässerrinnen stieg ein übler Gestank auf. Ein heftiger Regenschauer würde der Stadt guttun, aber dafür war es zu kalt.
Seine Gedanken kehrten zu Fiora zurück. Er hatte die Stunden in ihrer Gesellschaft genossen und er fühlte sich beschwingt wie lange nicht mehr. Er hatte sich schon früher gut mit ihr verstanden, wie gute Freunde halt, die oft im Garten miteinander gespielt hatten. Aber jetzt war etwas ganz anderes dazugekommen.
Es ging schon seltsam zu in der Welt. Da kannte man einen Menschen seit vielen Jahren, war mit ihm aufgewachsen und plötzlich sah man ihn mit ganz anderen Augen, als wäre er
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