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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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werden musste, war der Wirt. Und Poggio wurde für seine Verschwiegenheit zweifellos bestens bezahlt.
    »Welche Laus ist denn dir über die Leber gelaufen?«, fragte Marcello und trank einen Schluck aus dem Becher. Es war ein kräftiger Roter, den Giuliano sich hatte kommen lassen. Ein funkelnder Carmignano, wenn er sich nicht täuschte der sicher nicht aus den Fässern hinter der Theke kam. Poggio wusste eben, was er seinem besonderen Gast aufzutischen hatte!
    Giuliano zog den Becher wieder zu sich heran, sah hinein und kippte den Rest in einem Zug hinunter. »Ich weiß, er liebt mich! Und ich liebe ihn auch!«, stieß er trübsinnig hervor und knallte den Becher wütend auf den Tisch. »Aber dennoch! Das geht nicht an! Das kann er einfach nicht machen mit mir!«
    Der Wirt hatte anscheinend bemerkt, dass Giuliano nicht mehr allein am Tisch saß und sogleich Aurante losgeschickt, die unverzüglich einen zweiten Becher brachte.
    »Was geht nicht an?«, fragte Marcello und füllte beide Becher. »Und wer kann was nicht mit dir machen?« Auf seine zweite Frage glaubte er die Antwort schon zu wissen. Es ging mal wieder um seinen Bruder Lorenzo.
    »Ach, der gran maestro und Erste Bürger von Florenz …«, sagte Giuliano, wie Marcello erwartet hatte. »Wann immer sich mir die Möglichkeit bietet, aus seinem Schatten herauszutreten und mir eine eigene Reputation zu verschaffen, macht er mir alles zunichte! Natürlich immer mit dem Argument, dass es zum Wohle der Kommune und des Hauses Medici nun mal so und nicht anders zu geschehen habe! Dabei hätte er mir heute den Vortritt lassen müssen, da der verdammte Neapolitaner mich beleidigt hatte und nicht ihn!«
    »Von welchem Neapolitaner redest du?«
    Giuliano machte eine fahrige Handbewegung. »Ein arroganter Kerl aus dem Geschlecht der Montesilva hat mich fast über den Haufen geritten und mir als Reittier einen Esel empfohlen! Und dann wollte er diese üble Beleidigung auch noch mit einem Schwertstich krönen!«
    Marcello hob überrascht die Brauen. Das klang nach einer interessanten Geschichte. »Nun erzähl mal von Anfang an.«
    Und Giuliano redete sich seinen Kummer von der Seele. »Die Sache hat sich heute Nachmittag auf unserem Rückweg von Careggi ereignet«, begann Giuliano und berichtete ihm, wie es zu dem Zusammenstoß gekommen war und wie sein Bruder das Ehrenduell mit dem Edelmann an sich gerissen hatte. »Als ob ich nicht genauso gut mit dem Schwert umzugehen verstehe! Aber nein, Lorenzo musste das gleich wieder zu seiner Sache machen, damit ihm als Capo der Familie die Ehre zuteil wurde, dem neapolitanischen Rüpel eine Lektion erteilt zu haben! Das wäre mein Kampf gewesen, Marcello!«, sagte er zum Schluss. »Und ich hätte ihn nicht mit einer lächerlichen Schnittwunde am Arm davonkommen lassen!«
    »Das glaube ich dir unbesehen«, erwiderte Marcello. In der Führung eines Schwertes waren beide Medici-Brüder schon in ihrer Jugend bestens ausgebildet worden. Er und sein Bruder Alessio hatten ihnen oft dabei zugeschaut. »Aber kann es nicht sein, dass Lorenzo dir gerade deshalb den Kampf verboten hat, weil er in Sorge war, dass du es nicht bei einem zwar ehrenvollen, aber nicht lebensgefährlichen Treffer belassen würdest?«
    »Ach was!«, knurrte Giuliano. »Nicht einen Gedanken hat er daran verschwendet. Ihm ging es einzig und allein darum, sich mal wieder vor der Brigata in Szene zu setzen und sich Ruhm und Ehre eines solchen Duells zu sichern. Es ist ja nicht so, als würde er mir genügend andere Möglichkeiten bieten, in denen ich mir eine eigene Reputation verschaffen kann.«
    Marcello schwieg. Er kannte Giulianos Klagen und wechselhafte Stimmungen, wozu schon immer auch plötzliche Anfälle von Schwermut gehörten, nur zu gut. Während man seinen Bruder Il Magnifico nannte, den Prächtigen, hatte sich für Giuliano, der oft einen in sich gekehrten Eindruck machte, der Name Il Pensieroso, der Nachdenkliche, durchgesetzt, wobei diese Nachdenklichkeit nichts mit Gelehrsamkeit zu tun hatte, sondern mit dunklem Grübeln und verdrossenem Hadern.
    Aber so ganz unrecht hatte Giuliano nicht mit seinen Klagen über die häufigen Zurücksetzungen durch seinen Bruder. So liebenswürdig und umgänglich sich Lorenzo in der Öffentlichkeit zeigte, auch im Umgang mit dem populo minuto, dem einfachen Volk, so streng und unnachgiebig herrschte er über die Familie. Da duldete er keine Eigenmächtigkeiten, schon gar nicht, wenn die Gefahr bestand, dass sie an seinem

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