Der Pate von Florenz
suche Eis im Feuer, Verachtung im Vergnügen,
Leben im Tod und Krieg im Frieden. Ich ringe,
Mich meiner selbst angelegten Fesseln zu entledigen. «
Giuliano goss sich den Becher mit so viel Schwung voll, dass der Wein überschwappte und sich eine große Lache auf der Tischplatte bildete. Er knallte den Krug mitten in die Weinpfütze und rief lallend: »Na, wie findest du das? Müssen einem da nicht die Tränen kommen, dass die wahren Sehnsüchte meines lieben Bruders ganz woanders liegen als in der unangefochtenen Führung unserer stolzen Republik?«
»Also ich muss sagen, dass ich die Zeilen für wirklich gelungen halte«, gab Marcello freimütig zu. Er vermutete, dass auch Giuliano insgeheim so dachte. Warum sollte er sie sonst auswendig gelernt haben?
»Natürlich sind sie ihm prächtig gelungen, wie könnte es denn auch anders sein«, räumte Giuliano widerwillig ein. »Aber darum geht es doch gar nicht! All seine bukolischen Dichtungen über das idyllische Arkadien mit Nymphen, Satyrn und flötespielenden Schafhirten und seine Schwärmerei für die höfisch-ritterlichen Epen mit der Anbetung edler Damen sind nicht das teure Papier wert, auf denen sie geschrieben stehen!«
Marcello wusste, auf wen Giuliano anspielte. Auf Lucrezia Donati, die als das schönste Mädchen von Florenz gerühmt wurde und zu der Lorenzo schon im Alter von sechzehn Jahren in platonischer Liebe entbrannt war. Er war seiner Dame auch nach deren Vermählung mit einem in der Verbannung lebenden Kaufmann treu geblieben, hatte ihr unzählige Liebesgedichte gewidmet und sogar das großartige Turnier, das er anlässlich seiner Heirat mit Clarice Orsini in der Stadt ausgerichtet hatte und das als eines der teuersten, aufwendigsten und glanzvollsten in der Geschichte der Stadt galt.
»Aber mit der Genueserin Simonetta Cattaneo, die mit Marco Vespucci verheiratet ist, hattest du doch auch deine angebetete Dame«, wand Marcello ein. »Du hast sie genauso wie Lorenzo bei deinem eigenen prächtigen Turnier auf die Imprese der Standarte gesetzt, mit der du eingeritten bist.«
»Mein Gott, ja, weil man das eben so macht, dass man sich irgendeiner fernen Schönen in edler, uneigennütziger Liebe verbunden zeigt. Außerdem lebt Simonetta schon lange nicht mehr«, erwiderte Giuliano. Er hatte inzwischen große Mühe, seine Worte verständlich herauszubringen. »Lorenzo tut aber so, als ob es ihm mit dem, was er da zusammendichtet, ernst wäre! Aber ist es das wirklich? Pah, nicht die Bohne! Unter der Verkleidung des Feingeistes nimmt er sich rücksichtslos, wonach es ihn gelüstet. Und das ist nun wahrlich nicht das beschauliche Leben eines dichtenden Gelehrten und schon gar nicht die platonische Liebe zu einer Schönen, die den Ring eines anderen am Finger trägt! Im Kreis seiner Brigata spricht er wie eh und je darüber, bei welcher Dame er als Nächstes zum Zuge kommen wird!« Giuliano sah Marcello mit glasigen Augen an. »Ich bin wahrlich kein Kind von Traurigkeit, wie du weißt, aber ich spiele nicht so ein Theater und …« Er brach mitten im Satz ab und begann zu wanken, als hätte ihn ein Schwindel erfasst.
Marcello sah, wie er krampfhaft schluckte und gegen den Brechreiz ankämpfte. »Los, raus an die frische Luft!«, rief er, sprang auf, zerrte Giuliano von der Bank hoch und schob ihn vor sich her zur Hintertür hinaus.
Gerade noch rechtzeitig, denn Giuliano spie in hohem Bogen aus, was er gegessen und an Wein in sich hineingeschüttet hatte. Er würgte und würgte, bis nur noch bittere Galle kam.
»Tod und Teufel, der … Wein muss … schlecht gewesen sein …«, keuchte er, als es vorbei war. Er lehnte sich gegen die Hauswand und presste die Stirn an das kalte Mauerwerk.
»Von wegen! Poggio würde dir nie gepanschten Wein vorsetzen, das weißt du ganz genau. Du hast ihn einfach nur in dich hineingekippt wie ein hirnloser Landsknecht. Aber damit ist für heute Nacht Schluss. Ich bringe dich jetzt nach Hause.«
Marcello ging rasch in die Schenke zurück und warf ein paar Münzen auf den Tisch. Wenn sie nicht ausreichten für Giulianos wilde Zecherei, dann würde Poggio den Rest bei Giulianos nächstem Besuch eintreiben. Der Mann wusste, wie er auf seine Kosten kam.
Giuliano in die Via Larga zu bringen war ein hartes Stück Arbeit. Marcello hatte sich den linken Arm seines Freundes über die Schulter gelegt und hielt ihn mit der anderen Hand am Strick seiner Kutte fest. Giuliano hatte Mühe, geradeaus zu gehen, und so torkelten
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