Der Pate von Florenz
Plage! Also, was hältst du davon, wenn wir uns aus dem Staub machen und uns eine wirklich vergnügliche Nacht gönnen, und zwar da draußen in der Stadt?«, schlug er vor.
Marcello lachte und sah ihn spöttisch an. »Hast du schon einen Blick geworfen auf die Kostbarkeiten, die du mit dir herumträgst, mein morgenländischer Prinz? In diesem Kostüm wirst du wohl kaum zu deinem Vergnügen kommen, sondern auf Schritt und Tritt Aufsehen erregen, wenn nicht gar noch etwas viel Schlimmeres heraufbeschwören. Du weißt doch, wie ausgelassen es jetzt überall in der Stadt zugeht. Und es sind wahrlich nicht alles anständige Leute, die in diesen Tagen die Stadt bevölkern. Denk an das viele auswärtige Schurkenpack!«
Giuliano lachte nur. »Der Juwelenladen auf meiner Brust ist mir nicht entgangen. Aber so gedenke ich mich ja auch nicht unters Volk zu mischen. Ich habe natürlich Vorsorge getroffen. Die anderen Sachen warten in der Sakristei auf uns! Und jetzt komm schon, bevor mich wieder jemand mit Beschlag belegt und mir Honig ums Maul schmiert, damit ich bei Lorenzo ein gutes Wort für ihn einlege. Ich kann dieses einschmeichlerische Geschwätz nicht mehr hören!«
Marcello musste nicht lange überlegen, ob er auf Giulianos Vorschlag eingehen sollte. Ihn hielt hier nichts und es würde ihn auch niemand vermissen. Wie verlockend war dagegen die Aussicht auf ein handfestes Vergnügen auf den Plätzen und in den Tavernen der Stadt! Deshalb nickte er und folgte Giuliano voller Vorfreude.
Sie verließen den Saal durch einen Seitenausgang, schlichen durch dunkle, kalte Klosterflure, gelangten in den herrlichen Kreuzgang mit den säulengetragenen Rundbögen, durch die helles Mondlicht fiel, und huschten Augenblicke später in die Sakristei. Dort wartete ein Diener der Medici, vor sich einen Krug mit Wein und zu seinen Füßen einen Kleidersack.
»Los, du müder Krieger!«, rief Giuliano ihm aufgekratzt zu. »Deine heilige Wache ist zu Ende. Hilf mir aus der Kleidung. Dann kannst du gehen und dich deinen Vergnügungen hingeben. Aber vorher gibst du mein Kostüm im Palazzo ab! Und nimm auch die Sachen meines Freundes mit!«
Der Diener war eilfertig aufgesprungen, ging seinem Herrn geschickt zur Hand und holte dann die Sachen aus dem Kleiderbeutel, die Giuliano besorgt und ihm anvertraut hatte.
Dieser warf Marcello ein Kostüm zu, das aus einem weißsilbrigen Stoff von einst guter Qualität bestand, das jedoch schon an einigen Stellen durchgescheuert und stumpf war. »Was soll das werden? Und woher hast du das Zeug?«
»Von einem rigattiere am Mercato Vecchio. In den Läden dieser Trödler und Gebrauchtwarenhändler quillt es zurzeit über von diesen abgenutzten Verkleidungen. Ich habe dich zum Sultan gemacht, falls du das nicht erkennen solltest«, antwortete Giuliano und ließ noch einen Turban und einen mit Quasten verzierten Gürtelschal folgen.
Marcello lachte. »Und was ist mit dir?«
»Ich wollte zuerst als Eunuch gehen«, scherzte Giuliano, während er die Beinkleider vom Oberteil seiner Karnevalskleidung trennte. Der schon reichlich verblichene Stoff trug ein Muster aus grünen, gelben und weißen Rauten. »Aber mich so zu erniedrigen hielt ich dann doch für ein wenig unpassend, zumal mir dafür auch die Körperfülle fehlt. Ich denke, das Kostüm eines Hofnarren steht mir besser zu Gesicht.« Nachdenklich fügte er hinzu: »Obwohl ich mich dafür ja gar nicht erst verkleiden müsste.«
Und damit setzte er sich eine genauso gemusterte Zipfelmütze auf den Kopf, die auf der rechten Seite bis übers Ohr herunterhing und an dessen langer Spitze ein blechernes Glöckchen angenäht war. Kleine angerostete Schellen fanden sich am Saum seines bis über die Hüften reichenden Oberteils und auch die hochgebogenen Spitzen der bunten Schnabelschuhe waren mit je einem Glöckchen verziert. Die Umhänge waren zum Glück dick gefüttert, denn es war kalt draußen.
»Na, die Schuhe hätten ruhig ein gutes Stück enger sein können«, sagte Giuliano nach ein paar Probeschritten, während Marcello in die weiten Pumphosen seiner Sultanskleidung stieg, zuckte dann aber mit den Achseln. »Was soll’s, es wird schon gehen!« Er zog einen aus Holz geschnitzten Zwicker aus seiner Hosentasche, deren leere Fassungen wie die Augen einer Eule geformt waren. In der Mitte des seltsamen Nasenkneifers schaute ein Eulenkopf hervor. »Los, stürzen wir uns ins Getümmel und suchen wir dir einen Harem, vielleicht fällt dann auch für einen
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