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Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Titel: Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. med. Hans Bankl
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24jährigen Mannes, an welchem ich ein Organ zu sezieren hatte, lief unter der Diagnose „angioretikuläres Sarkom der Lunge“. Diesen Terminus hörte ich fünf Minuten vor Beginn des Rigorosums zum ersten Mal. Mein Herz war in der Hose, letztere feucht. Es wurde mir von Professor Hermann Chiari die Niere zur Sektion zugewiesen. Technisch kein Problem, aber jetzt hatte ich das Organ in der Hand und fand nichts Pathologisches. Warum auch? Der obduzierte Patient war an einem Lungentumor gestorben, die anderen Organe waren normal. Chiari zeigte sich unruhig, ich verzweifelt. Es ist ja eine riesengroße Gemeinheit, bei einer Prüfung über pathologische Anatomie ein gesundes Organ beurteilen zu müssen.
Durch diverse Stottereien kam ich über die Runden. Jahre später, als ich selbst der Prüfer war, gestaltete ich solche Situationen dementsprechend milde.
Von entscheidender Wichtigkeit war, daß wir auch in verschiedenen anderen Prüfungen die jeweiligen Krankheiten der Patienten (wiederum gegen ein Trinkgeld) erfahren konnten. Sonst wäre manches beinahe schiefgegangen!
In Kinderheilkunde waren wir fünf Kandidaten und standen daher fünf kranken, gleich aussehenden Kleinkindern mit verschiedenen Diagnosen gegenüber. Ich hatte richtig geraten, und die Sache war erledigt.
Dazu kam, daß man mit guten Kenntnissen der pathologischen Anatomie auch in den klinischen Fächern Antworten geben konnte. Innere Medizin und Chirurgie waren kein Problem, mein Abschneiden vielmehr sensationell. Der Internist Hans Jesserer hat, als er merkte, daß ich nicht blöd war, sondern nur mangelhaft vorbereitet, während der Prüfung eine Privatvorlesung gehalten; der Chirurg Paul Fuchsig bot mit sogar spontan eine Stelle an. Das Rigorosum in Augenheilkunde verlief überhaupt wie ein Scherz. Professor Bock stellte mir nur eine Frage: „Definieren Sie mir die Blindheit?“ Nach meiner Antwort erklärte er knapp: „Dieser Blödsinn steht auch in den gesetzlichen Vorschriften, daher haben Sie die Prüfling bestanden.“
Das letzte Rigorosum mußte ich wiederholen. Beim ersten Anlauf im Fach Haut- und Geschlechtskrankheiten sind alle Kandidaten durchgefallen. Der Prüfer hatte anscheinend nicht seinen besten Tag. Im zweiten Anlauf ging alles prächtig, und damit war die studentische Ochsentour erledigt. Bei der Promotion ist bekanntlich noch nie jemand durchgefallen.
Wir wußten, daß wir noch lange keine Ärzte waren, und die anderen wußten es auch. Von den Krankenschwestern lernten wir, wie man Injektionen gibt und Blut abnimmt, von älteren Kollegen erfuhren wir, wie man sich dem Chef gegenüber wohlverhält. Und so wuchsen wir langsam in die medizinische Tätigkeit hinein.

TRAUER
    Ein Student namens Jerusalem hatte trotz aller Anstrengungen das Rigorosum nicht bestanden. Joseph Hyrtl, der berühmte Anatom, verkündete das Ergebnis den vor dem Prüfungssaal wartenden Freunden und Glaubensbrüdern des Kandidaten mit den Worten: „Trauert, ihr Söhne Zions, denn Jerusalem ist gefallen!“

ZAHLREICHES PUBLIKUM
    Gerichtsmedizin ist ein Fach, das wegen seiner interessanten, meist gruseligen Details auch auf viele Laien große Anziehungskraft ausübt. Dazu kam bei den Vorlesungen Albin Haberdas, des bedeutendsten österreichischen Gerichtsmediziners in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, daß es damals viele Beschäftigungslose gab, die nicht recht wußten, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollten. Das führte dazu, daß Haberda einmal eine Vorlesung im übervollen Hörsaal mit den Worten begann: „Ich begrüße die Herren Arbeitslosen, die Besucher der umliegenden Kaffeehäuser, die Studenten sämtlicher Fakultäten und selbstverständlich auch die Mediziner, die sich hier eingefunden haben.“

GERÄUSCHKULISSE
    Der Wiener Pharmakologe Franz Theodor Brücke (1908-1970) war ein sehr trocken Vortragender, aber eine überragende Persönlichkeit. Dazu kam, daß seine Vorlesungen in den frühen Nachmittagsstunden stattfanden, zu einer Zeit, in der die Hörer unter der üblichen Müdigkeit nach dem Mittagessen litten. Als Brücke wieder einmal vor seinen dahindösenden Studenten dozierte, entfuhr ihm etwas, was in der Fachsprache als flatus bezeichnet wird. Das weithin vernehmbare Geräusch weckte die Studenten auf, einige lachten unverhohlen, und als wieder Ruhe eingekehrt war, fuhr Brücke ungerührt fort: „Meine Herren, was ich soeben in Ihren Augen an Achtung verloren habe, habe ich an Wohlbefinden gewonnen.“

PRÜFUNGSANGST
    Der

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